(Korrespondenz von Beschäftigten aus dem Bildungsbereich)
Vergangene Woche, am Mittwoch den 20. September, hielten die Freizeitpädagogen eine öffentliche Betriebsversammlung ab und demonstrierten damit einmal mehr ihre Entschlossenheit, die Angriffe der Regierung gegen ihre Profession zurückzuschlagen.
Schon seit vier Monaten setzen sich tausende Freizeitpädagogen nicht nur für den Erhalt der Freizeitpädagogik ein, sondern auch für bessere Bedingungen für die Beschäftigten, als auch die Kinder in den Volksschulen.
Von Seiten des Bildungsministeriums wurden sie bisher in wesentlichen Fragen feige hingehalten. Wie auf der Versammlung berichtet, wurden beispielsweise Unterlagen nicht, bzw. nicht rechtzeitig weitergeleitet, so dass zentralen Fragen für die Beschäftigten „leider“ nicht besprochen werden konnten. Das zeigt entweder die absolute Unfähigkeit dieses Ministeriums nach einem gewissen Standard zu arbeiten, oder aber eine bewusste Hinhaltetaktik. Zweites ist wohl eher der Fall, sollte doch die Schulnovelle, welche die Abschaffung der Freizeitpädagogik vorsieht, bereits vor Schulschluss und ohne jegliche Einbeziehung der Beschäftigten durchgesetzt werden. Hinzu kamen noch Falschmeldungen des Bildungsministeriums, es gäbe durch die Novelle nun erstmals eine einheitliche Ausbildung, welche in den Medien Verbreitung fanden. Das sei absolut falsch, so Selma Schacht, Betriebsratsvorsitzende bei Bildung im Mittelpunkt (BiM), denn seit 2005 könne in jedem Bundesland in Österreich die Ausbildung zum Freizeitpädagogen gemacht werden. Zudem hieße in diesem Fall Vereinheitlichung eine massive Senkung der Qualifikation.
Sieht man diesen Rahmen ist es absolut richtig, was von verschiedenen Beteiligten auf der Betriebsversammlung hervorgehoben wurden: Es wurde bereits etwas erreicht! Durch den starken Zusammenschluss der Belegschaft, Kampfmaßnahmen wie die Streikbewegung, aber auch durch die breite Solidarität die den Freizeitpädagogen entgegenkommt, wurden die Vertreter des Bildungsministeriums zu Verhandlungen gezwungen und die Durchsetzung der Novelle konnte bisher erfolgreich verhindert werden! Noch mehr Zugeständnisse wurden in den Raum gestellt: Voraussetzungen wie die Matura sollen fallen, die pädagogische Ausbildung aber ausgebaut statt „eingstampft“ werden und es soll Nachbesserung beim Lohnschema geben.
Selma Schacht betonte, dies sei zwar gut, es gäbe aber ein großes „Aber“: Es handelt sich bisher rein um mündliche Zusicherungen; das grundsätzliche Vorhaben, die Freizeitpädagogik durch Assistenzpädagogen abzulösen, bleibt; das Gehaltsschema wie es die neue Regelung vorsieht wurde zwar nachgebessert, liegt aber immer noch unter 10% (!) vom jetzigen Lohn; es soll noch mehr Kinderstunden und weniger Vorbereitung geben; Integrationsgruppen (Sonderförderbedarf) erhalten keine zusätzliche Ressourcen; Teamleitungen sollen wegfallen und durch die „Mitbetreuung“ durch die Schuldirektoren ersetzt werden; Freizeitpädagogik als Profession soll durch „Betreuung“ im Unterricht als Zusatz zu den Lehrern, ersetzt werden.
Zu Recht wurde von einigen Teilnehmern auch die Frage der Qualität der Kinderbetreuung und dem Kindeswohl gestellt. Doch darf bei all dem nicht vergessen werden, dass es auch ein „Wohl“ der Beschäftigten gibt. Nicht nur, dass angesichts der Teuerungen der Lohn immer dringender angehoben werden muss, es gibt schon jetzt einen schlechten Personalschlüssel, häufig auch Unterbesetzung.
Neben Beschäftigten und der gewerkschaftlichen Vertretung drückten auch Vertreter anderer Initiativen ihre Solidarität aus und hoben die wichtigen gemeinsamen Ziele der verschiedenen Kämpfe und Proteste im Erziehungs- und Bildungsbereich hervor. Ein Lehrer, der zugleich an der Pädagogischen Hochschule unterrichtet argumentierte, dass die Reform eine enorme Minderung der Qualität der Ausbildung bedeuten würde. Als Gewerkschafter der oftmals Teilnehmer der KV-Verhandlungen der Lehrer war, führte er ein wenig zur Geschichte der Freizeitpädagogik aus. Zunächst sei vor mehreren Jahren die Freizeittätigkeit aus dem Aufgabenbereich der Lehrer gestrichen worden. Versprochen wurde „Freizeitpädagogik Plus“. Daraus wurde nichts, das „Plus“ sei gestrichen worden und nun soll es eine weiter „Herabsetzung“ zum Assistenzpädagogen geben. Zwei Kolleginnen aus dem Bereich der Basisbildung drückten ihre Solidarität aus, sie berichteten von ganz ähnlichen Problemen in ihrem Bereich und brachten es gut auf den Punkt, dass diese geplante Reform eine absolut falsche Antwort auf den Lehrermangel ist. In ihrem Redebeitrag wurde ebenso die Wichtigkeit einer qualitativen Freizeitbetreuung für Kinder betont. Auch sprach ein Vertreter der Initiative „Bessere Schule jetzt“, welche Eltern, Lehrer und Schüler umfasst. Sie gründeten sich gegen eine geplante Schulreform der Wiener Stadtregierung (SPÖ-Neos) und sehen die Gemeinsamkeit dieser Proteste in der Sicherung der Qualität für alle Beteiligten. Durch diese Initiative kommt zudem klar zum Ausdruck: Es ist kein alleiniges Problem einer Schwarz-Grünen Bundesregierung! Sowohl bei der Wiener SPÖ, als auch in den Bundesländern ist der Kurs kein anderer: Kürzungen, Umbau, Reallohnverlust – ein Bildungs- und Erziehungswesen, welches sicherlich nicht den Bedürfnissen und Interessen der Beschäftigten und Familien entspricht.
Das brachte auch der Geschäftsführer von BiM in seinem Redebeitrag zum Ausdruck. Auf der einen Seite erklärte dieser sich zwar solidarisch mit den Beschäftigten, betonte das „wir“ und den „gemeinsamen“ Kampf, zentrierte seine Kritik zugleich aber ausschließlich auf „diese Regierung“ (im Bezug auf die Bundesregierung), die „gestoppt werden müsse“. Er, das muss erwähnt werden, vertritt die SPÖ bei den Verhandlungen und betont „die Stadt steht hinter uns“. Was kann man sich davon erwarten? Wo sind die SPÖ Stadt- und Landesregierungen wenn es um Verschlechterungen und teils massive Einschnitte in unserem Sozialsystem geht? Wo mobilisiert und organisiert die Gewerkschaftsführung für einen entschlossen Kampf? Sehen wir uns die „rote Linie“ der Geschäftsführung an, hieß es in etwa wie folgt: 1) Die bestehenden Arbeitsverhältnisse müssen gesichert sein, in gleicher Qualität und gleichem Rahmen. 2) Die Freizeitpädagogik bleibt in einer Struktur die gesichert ist. 3) Freizeitpädagogik muss als Qualität in einer Eigenständigkeit erhalten bleiben. Diese „rote Linie“ bringt keinerlei Verbesserungen, weder für die Beschäftigten noch für die Schüler. Sie stellt sich nicht prinzipiell gegen die geplante Reform, spricht sich lediglich für den Erhalt der bestehenden Arbeitsverhältnisse aus. Nun soll dem Geschäftsführer keine böse Absicht unterstellt werden, aber sehr wohl muss aufgezeigt werden, dass ein Versprechen wie „die Stadt steht hinter uns“ (womit die SPÖ gemeint ist), auch dem Stimmenfang dient, aber noch lange nichts für einen erfolgreichen Arbeitskampf bedeutet.
Die Kolleginnen und Kollegen aus der Freizeitpädagogik zeigten bei dieser Betriebsversammlung eine große Einheit darüber, dass Verhandeln alleine nicht reicht. Alleine die bisherigen Verhandlungsrunden, die faulen „Tricks“ von Seiten des Bildungsministeriums usw. zeigen schon deutlich auf, dass es den Arbeitskampf, den oft genannten „Druck“ durch die Beschäftigten braucht. Sie zeigten auch große Einheit darüber, dass es nicht um einen konservativen Erhalt, sondern um Verbesserung und Ausbau der Freizeitpädagogik geht. Sie beschlossen in einer Abstimmung weiter dafür zu kämpfen, mit Arbeitsniederlegungen, dezentralen Aktionen und Streik.
Zigtausend Augen anderer Beschäftigter in diesem Bereich, ob Schule, Kindergarten, Hort, Wohngruppen usw. sind aktuell auf den Kampf der Freizeitpädagogen gerichtet. Die Freizeitpädagoginnen und -pädagogen stehen mit ihren Anliegen und Forderungen nicht isoliert!
weitere Informationen siehe:
Korrespondenz: Freizeitpädagogen wehren sich
Flugblatt für Protest der Freizeitpädagogen
Bildquelle:
Abstimmung über weitere Kampfmaßnahmen, Betriebsrat im Mittelpunkt, betreibsrat-bim.at (Titelbild)
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