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Mexiko: Terror unter „grünen“ Vorzeichen.


Unter dem Vorwand von „erneuerbarer Energie“ wird in Mexiko die ganz und gar alte Praxis des Kolonialismus, der Vertreibung, Verfolgung und Ermordung insbesondere der indigenen Bevölkerung weitergeführt. In der Isthmus von Tehuantepec leben die Menschen seit mehr als einem Jahrzehnt mit den negativen Folgen der sogenannten „nachhaltigen“ Entwicklung und sehen sich mit weiteren imperialistischen Großprojekten wie Staudämmen, oder dem Interozeanischen Korridor konfrontiert. Die Bevölkerung leistet einen entschlossenen Widerstand mit großen Opfern.


Die Isthmus von Tehunantepec ist eine Landenge in Mexiko zwischen den Hafenstädten Coatzacoalcos im Norden, welche am Golf von Mexiko liegt und Salina Cruz im Süden, am pazifischen Ozean. Sie umfasst Teile des Bundesstaates Oaxaca und Veracruz. Im Gebiet von Oaxaca alleine leben 16 offiziell registrierte indigene Volksgruppen, mit knapp 50 Prozent gibt es in diesem Gebiet neben Yucatán den höchsten Anteil an indigenen Völkern. Die Zapoteken bilden dabei die größte Volksgruppe mit etwa 357.000 Mitgliedern (1), gefolgt von den Mixteken, Mazatecos, Chinantecos und Mixe (Ayuuk). Alle weiteren Volksgruppen zählen weniger als 100.000 Menschen.


Vor mehr als einem Jahrzehnt wurden in der Landenge von Tehunantepec Windparks errichtet. Seither wehren sich die Bevölkerung und die Dorfgemeinschaften dagegen. Die Windenergie, ein Aushängeschild für „nachhaltige“ Entwicklung und Innovation, brachte nicht nur keinen Fortschritt, sondern wurde für tausende Dorfbewohner zum blutigen Terror. Versprechungen wurden nicht eingehalten und Pachtpreise viel zu billig vergeben. Ein Bauer berichtete, er habe sein Land viel zu günstig verpachtet, da durch den ausländischen Konzern versprochen wurde eine Schule zu bauen. Die Schule gibt es bis heute nicht, das Land gehört aber nun für 30 Jahre dem Energiekonzern. Teilweise werden die Bauern mit zehn cent pro Hektar abgespeist. Den Bauern und den Dorfbewohnern wurde Modernisierung versprochen, dabei sind sie oftmals nicht einmal mit Strom versorgt. Es wurden keine Arbeitsplätze geschaffen, stattdessen stieg die Gewalt.


„Sie schieben den Klimawandel vor, um uns von unserem Land zu vertreiben und es uns weg zu nehmen“ (2), sagte ein Bauer gegenüber arte in einer Dokumentation. Alleine in einer Gemeinde im Süden, wurden durch französische, japanische und spanische Konzerne 30 Windparks mit 2.000 Windrädern errichtet. Alle 1.000 Meter steht ein Windrad. Und obwohl die Windräder auf dem Grund und Boden der Dorfbewohner (teilweise in den Vorgärten) stehen, bekommen die Gemeinden entweder keinen, oder überteuerten Strom.


Es sind hingegen Konzerne wie unter anderem der französische Energiebetreiber EDF Renewables, die extrem profitieren. Ein Großteil des Stroms fließt zu „Bimbo“, ein Monopol der Lebensmittelindustrie, das damit seine Energie „grün“ wäscht.


Wirklich „grüne“ Energie?


Ganz und gar nicht, denn es handelt sich um Intensiv-Nutzung, die einen massiven Schaden an der Umwelt hinterlässt und den Lebensraum der Bevölkerung zerstört. Von „grün“ kann nicht die Rede sein, dafür aber von blutig. Mit Korruption, Erpressung und Gewalt wird gegen die Dorfgemeinschaften vorgegangen. Im Süden an der Küste wehrte sich eine Gemeinde gegen die Errichtung von Windrädern, die ihren Lebensraum am Meer und damit ihren Unterhalt, die Fischerei zerstört hätten. Sie wurden geschlagen und mit dem Leben bedroht. In einer anderen Gemeinde kam es zu Entführungen und Erschießungen. Es kam zudem vor, dass bei Demonstrationen Leute durch die Polizei verschleppt und tagelang illegal festgehalten wurden. Laut Menschenrechtsorganisationen starben von 2018 bis 2021 zwanzig Menschen alleine in Konflikten verursacht durch den „grünen“ Strom der imperialistischen Monopole.


In der Dokumentation von arte wird eine junge Frau im Rollstuhl interviewt. Sie war am Weg zu einem der Energiebetreiber für ein Vorstellungsgespräch, als dort schon mehrere Leute versammelt waren. Immer wieder wurde dort protestiert, da die versprochenen Arbeitsplätze ausblieben. Es fuhr ein Wagen vor und Leute begannen zu schießen. Die Frau wurde mehrmals in den Rücken getroffen, überlebte aber den Angriff. Sechs Leute wurden dabei ermordet. Es gab eine enorme Zunahme von Gewalt durch bewaffnete Söldnertruppen, aber auch durch Polizei und Militär.


Die Dorfgemeinschaften versuchten vieles, kontaktierten Anwälte, Menschenrechtsorganisationen und wendeten sich zuletzt auch schon an die Gerichte Frankreichs, da sie in Mexiko nichts bewirken konnten. Auf die Frage, wie er reagieren werde, wenn das Anliegen bei Gericht nun durchgehe und keine Windräder mehr errichtet werden dürfen, meinte ein Bauer: „dann renn ich nur noch mit kugelsicherer Weste herum“.


In vielen Gemeinden organisierten sich die Bewohner daher zunehmend entschlossen und im vollen Bewusstsein darüber, dass sie dabei sterben könnten. „Ich bin schon alt“, meinte eine Frau, „ich bin bereit alles zu geben, denn ich denke an die nächsten Generationen. Ich möchte nicht, dass unser Erbe geraubt und unser Land zerstört wird.“(3) In der Gemeinde Hidalgo, welche im Süden an der Küste liegt, konnte das Vorhaben für den Windpark, dem 2017 die Baubewilligung erteilt wurde, nun im Juni 2022 erfolgreich verhindert werden. Die Kündigung dieses Windparks sei „ein historisches Ereignis für die Verteidigung des Landes, des Territoriums und der natürlichen Ressourcen der Agrar- und indigenen Gemeinschaften in Mexiko und Lateinamerika“, so der Widerstand in der Gemeinde Hidalgo.


Schutz der natürlichen Umwelt im Kampf gegen Imperialismus


Hier geht es offensichtlich weder um Klimaschutz, noch um eine „nachhaltige Entwicklung“. Im Gegenteil, es ist gerade die Bevölkerung die sich für den Erhalt ihrer natürlichen Ressourcen einsetzt und dafür brutal zum Schweigen gebracht werden soll. Es ist im Übrigen ein Projekt, welches von der UNDP, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, in eigens dafür gemachten Werbevideos angepriesen und durchwegs als positiv dargestellt wird.


Die Windparks sind nicht die einzigen Projekte dieser Art, es werden auch Staudämme errichtet, die dem gleich kommen. Filogonio Martínez Merino verteidigte seine Gemeinde Paso de la Reyna gegen Wasserkraftprojekte die mit massiven Menschenrechtsverletzungen einhergehen. Er wurde am 26. Oktober dieses Jahres ermordet.


Es gibt breiten Widerstand gegen die Errichtung des Interozeanischen Korridors, der die beiden Meereszugänge der Landenge verbinden soll. Konkret geht es um eine Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke, eine Autobahn, zwei Tiefseehäfen und eine Gaspipeline. Es liegt auf der Hand, dass diese noch weniger als die Windräder irgendeinen Vorteil für die Bevölkerung bringen würden. Es ist ein noch weitaus größerer Plan der Landenteignung, Vertreibung und Zerstörung. Internationale Monopole gehen Hand in Hand mit den mexikanischen Machthabern und Marionetten, wenn es heißt für ihren Profit über Leichen zu gehen.


Jesús Manuel García Martínez, "Chu Pau" genannt, wurde am 27. Oktober ermordet, als ein bewaffnetes Kommando das Haus von Erick Sanchez, dem regionalen Führer von „Sol Rojo“ in der Gemeinde Santa Cruz Tagolaba angriff. Es handelt sich um eine Gemeinde in Oaxaca die sich im entschlossenen Widerstand gegen die Durchsetzung des Interozeanischen Korridors befindet.


Die Volksströmung Rote Sonne (Corriente del Pueblo Sol Rojo) ist eine revolutionäre Organisation des Volkes, der armen Bauern, der indigenen Bevölkerung, der Studenten und auch der Arbeiter. Die Frage von Land und Boden ist eine Schlüsselfrage für die Entwicklung der Revolution in Mexiko, viele der Kämpfe entwickeln sich anhand dieser Frage. Sol Rojo ist an vorderster Front aktiv in den Kämpfen um die Verteidigung und Eroberung des Landes, was alleine in der jüngsten Zeit zu zahlreichen Märtyrern der Organisation führte. Zu Allerheiligen, in Mexiko der „Día de los Muertos“, wurde durch verschiedene Aktionen ihr Leben hochgehalten (LINK). Sol Rojo, eine revolutionäre Organisation des Volkes, ist dem alten mexikanischen Staat, Hand in Hand mit den imperialistischen Ausplünderern Mexikos ein Dorn im Auge. Ihre Mitglieder werden willkürlich verhaftet, gefoltert, ermordet, oder verschwunden gemacht. (Im August/September gab es zahlreiche Aktionen für den „verschwundenen“ Dr. Sernas Garcia – LINK)


Doch nicht nur die revolutionäre Volksströmung Sol Rojo ist Ziel der Repression. Zahlreiche Aktivisten und Kämpfer der Dorfgemeinschaften, der Selbstverteidigungskomitees und auch der verschiedenen demokratischen Organisationen werden zunehmend verfolgt. Das Morena-Regime, eine Marionette der internationalen Monopole, insbesondere aber des US-Imperialismus, steht für blutigen Terror gegen die Bevölkerung Mexikos. Von 2018 bis heute wurden 136 Kämpfer der Volksbewegung gezielt ermordet. In einer Erklärung sagte Yolanda Ruiz, Sprecherin von Corriente del pueblo Sol Rojo: „Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern um eine Operation zur Aufstandsbekämpfung, die Teil des Krieges gegen das Volk ist.“ (4)


Der Kampf der Dorfgemeinschaften richtet sich gegen imperialistische Ausplünderung, besonders gegen die Landnahme. Am Beispiel der Windparks zeigt sich gut, wenn es auch die mexikanische Staatsgewalt ist, welche den Widerstand zu zerschlagen versucht, dass es dem Interesse der ausländischen Konzerne entspricht die Bevölkerung niederzuhalten. An der Errichtung der Windräder war kein mexikanisches Kapital beteiligt, sondern ausschließlich ausländische Konzerne und Banken. Sie versprechen Entwicklung, geben sich ein „grünes“ Kleid, reden von Nachhaltigkeit und preisen sich für ihre gelungenen Projekte. Sieht man nur ein bisschen hinter die Kulissen, zeichnet sich ein anders Bild. Lebensräume werden nachhaltig zerstört, Dorfgemeinschaften brutal auseinandergerissenen und Methoden der Bedrohung, Einschüchterung und Ermordung angewendet. Es reicht daher nicht, nach irgendwelchen UN-Klimazielen zu schreien, oder die Klima- und Umweltfrage unabhängig vom imperialistischen System und den Plänen der Monopolkonzerne zu behandelt. Das kapitalistische-imperialistische Weltsystem wird nichts hervorbringen, was nicht auf Kosten der Bevölkerung Profit schafft. Erklärt man den „New Grean Deal“, die „Energiewende“ oder ähnliches unhinterfragt zur Lösung, wird man sich lediglich zum Handlanger einer eines Teils des Kapitals machen, nicht weniger sauber als der andere, was sowohl Umweltschädigung, als auch die Brutalität der Methoden betrifft.


Die indigene Bevölkerung Mexikos hat eine Geschichte von mehreren Jahrhunderten des Widerstandes gegen die koloniale Ausplünderung und Beherrschung, die im kontinuierlichen Widerstand der Bauern heute weiterlebt. Das ist ein wichtiges und lehrreiches Beispiel, auch für alle die sich ehrlich für Umwelt und Klima einsetzen möchten. Die armen und landlosen Bauern der Dorfgemeinschaften organisieren sich, zunehmend auf die eigene Kraft gestützt, ohne Illusionen, das eine oder das andere Gericht möge ihnen eine bessere Lage bringen. Sie kämpfen für ihr Land und retten es damit vor der Zerstörung durch den Imperialismus, egal ob er sich „grün“ oder „fossil“ kleidet. Sie kämpfen für die neudemokratische Revolution (5), um die Macht des Volkes zu errichten.



(1) Nach einer Volkszählung von 2005.

(2) ARTE Reportage: Mexiko: Indigene gegen Windparks.

(3) Dokumentarfilm: „Der Wind sind wir – Widerstand gegen einen Megawindpark in Mexiko“.

(4) Sol Rojista: Mexico honor y gloria quienes han dado.

(5) Die Agrarrevolution: Aufhebung des feudalen Grundbesitzes. Die Rote Fahne Nr. 13, November 2022, Seite 11.



Quellen:

- Amnesty International

- labournet.de

- boell.de/de/2015/06/03/luft-als-ware-ein-kampf-gegen-windmuehlen

- tierrayterritorio.wordpress.com


Bildquelle:



Bilder von Protest gegen die imperialistischen Großprojekte, sowie für Gerechtigkeit für die Ermordeten






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