top of page

„Für die Pension mit 60 Jahren“ - Generalstreik in Frankreich

Aktualisiert: 3. Nov. 2023


Letzten Dienstag, den 31. Jänner, waren in ganz Frankreich erneut Millionen auf den Straßen und legten die Arbeit nieder. Der Grund: die geplante Pensionsreform, die zum Markenzeichen von Präsident Emanuel Macron geworden ist, ist ein geballter Angriff auf das Lebensniveau der Arbeiter, auf eine zentrale soziale Errungenschaft der Bevölkerung.


Der zweite Protesttag gegen die angedrohte Pensionsreform am 31. Jänner brachte im ganzen Land Massen von Menschen auf die Straße. Die Organisatoren sprechen von 2,8 Millionen. In um die 250 Städten und Orten gab es Demonstrationen, die größten fanden in Paris (mit 500.000 Teilnehmern), Marseille (hier waren es 205.000) und Touluse (mit 80.000) statt. (1) In zahlreichen Betrieben im ganzen Land wurde die Arbeit niedergelegt, und der öffentliche Verkehr stand fast vollständig still. Auch der Unterricht blieb aus, als besonders viele Lehrer sich an den Protesten beteiligten, und zahlreiche Häfen wurden von den Streiks der Hafen- und Dockarbeiter praktisch vollständig stillgelegt. Die „Wiener Zeitung“ berichtet außerdem davon, dass Arbeiter des Energiekonzerns EDF erfolgreich die Stromproduktion herunterfuhren, auch wenn die Stromversorgung im Land trotzdem aufrecht blieb. Das sind nur einige beeindruckende Beispiele, die das Ausmaß des Streiks verdeutlichen. Im ganzen Land wurden 11.000 Sicherheitskräfte mobilisiert, davon 4000 allein in Paris. In der Stadt Rennes wurde berichtet, dass die Polizei die Proteste auch tatsächlich mit Wasserwerfern angegriffen hatte. Insgesamt konnten die Proteste aber ungestört abgehalten werden, und konnten ein Zeichen setzten, dass in Frankreich und ganz Europa nicht ignoriert werden kann. Protest und Streik sind dabei ein gutes Mittel gegen eine Pensionsreform zu kämpfen, die einen großen Angriff auf das Lebensniveau der arbeitenden Menschen darstellt.


Foto eines kämpferischen Protests auf einer Autostraße nahe Lyon am 31. Jänner

Die Pensionsreform ist ein zentrales Projekt der Regierung von Emanuel Macron, und eine Art „Markenprojekt“ des Präsidenten, die schon Ende 2019 das erste Mal eingebracht wurde. Das Pensionsantrittsalter soll mit dieser „Reform“ schrittweise von 62 Jahren auf 64 Jahre angehoben werden. Gleichzeitig soll eine schon bestehende Regelung schneller in die Praxis umgesetzt werden, mit der man erst dann in Pension gehen kann, wenn man schon 43 Jahre lang in die Pensionskassa eingezahlt hat. Wer also auch mit 64 noch keine 43 Arbeitsjahre zusammen hat (zum Beispiel, weil man einmal arbeitslos war), der muss noch weiter arbeiten um eine abschlagsfreie Pension zu bekommen – oder man verliert einen Teil seiner Pension.


Zurecht ist also die Empörung groß über dieses Gesetz. Die „Wiener Zeitung“ zitiert eine Lehrerin auf den Protesten, die berichtet: "Den ganzen Tag von unseren Schülern beansprucht zu werden, meist im Stehen oder auf kleinen Hockern, im Schulhof oder einer Turnhalle - das wird mit einem Rollator schwierig." (2) Die zwei Jahre machen eben einen großen Unterschied. Denn bei den über-50-Jährigen verschlechtert sich die Gesundheit schnell. Auch die Arbeitslosigkeit ist besonders hoch. Laut offiziellen Zahlen sind in Frankreich in der Altersgruppe 55 bis 59 Jahre ein Viertel arbeitslos, in der Altersgruppe 60 bis 64 sind es schon ein Drittel. Denn junge Arbeiter sind für die Unternehmen günstiger, und gehen auch weniger häufig in Krankenstand.


Präsident Macron hat argumentiert, dass in anderen EU-Ländern das Pensionsantrittsalter schon viel höher ist. Es ist aber eben auch eine Tatsache, dass in Frankreich, wo die Menschen schon früher in Pension gehen können, die Altersarmut mit offiziell 6,9 Prozent viel niedriger ist als im Rest der EU, in Österreich z.B. beträgt sie offiziell 17 Prozent. Trotzdem hat die Regierung Ende letzten Jahres das Pensionsalter für Frauen auf 65 Jahre erhöht! Sehr eindeutig ist dieses Pensionsgesetz also eine „Reform“, die nur im Sinn des Kapitals ist, und eine Einsparung auf Kosten der Bevölkerung, wie es sie in Frankreich seit gut zehn Jahren nicht mehr gegeben hat. Macron betonte in seiner Silvesterrede, dass es notwendig für alle Franzosen wäre sich mehr anzustrengen, mehr zu arbeiten, um „Frankreich stärker zu machen“. Die Arbeiter sollen also die Pensionsreform in Kauf nehmen, während gleichzeitig das Rüstungsbudget um drei Milliarden Euro erhöht wird.


Das Projekt ist der Regierung also sehr wichtig, immerhin versucht sie es seit über drei Jahren durchzubringen, und ist dabei mit gewaltigem Protest konfrontiert, ähnlich wie seinerzeit mit den „Gelbwesten“. Die Herrschenden werden deshalb auch weiter versuchen das Gesetz unbedingt zu realisieren, auch wenn der politische Preis für sie sehr hoch ist. Die Beliebtheitswerte für Präsident Macron sind auf einem Tief. Die Ablehnung des Gesetzes geht auch über den Kreis jener, die auf der Straße sind hinaus. In Umfragen sind 72 Prozent dagegen. Und auch wenn die Streiks, die stehenden Züge und geschlossenen Schulen für die Bevölkerung eine Belastung darstellen, meinen fast zwei Drittel der Bevölkerung Umfragen zufolge, dass es die Regierung ist, die für diese Lähmung des öffentlichen Lebens verantwortlich ist. Das ist richtig, und gerade weil die Regierung an ihrem Vorhaben festhält muss die Antwort darauf sein, die Proteste noch entschlossener weiterzuführen, denn nur der gemeinsame Kampf der Arbeiter und der Bevölkerung wird das Gesetz verhindern können.



Paris

Perpignan

Besancon



Bildquellen:

Français: Manifestation des organisations syndicales, by Toufik-de-Planoise, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Paris : manifestation syndicale contre la réforme Borne des retraites, by Roland Godefroy, CC-BY-SA, via Wikimedia Commons

Français: Manifestation à Perpignan contre le projet de réforme des retraites le 31 janvier 2023, by Fabricio Cardenas, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Lyon2, Jeunes Revolutionnaires

bottom of page