top of page

North-Stream Anschläge: Wer hat Interesse an einer Aufklärung?


ree

Am 26. September 2022 wurden insgesamt vier Sprengstoff-Anschläge auf die North-Stream Pipelines verübt, welche Erdgas von Russland nach Deutschland befördern sollten. Bis heute sorgt diese Sprengung zu Recht für viel Aufmerksamkeit, da es sich nicht nur um eine hochkomplexe militärische Operation handelte, sondern auch um den größten Anschlag auf europäische Infrastruktur seit dem Zweiten Weltkrieg. Bei den Verdächtigen handelt es sich um Teile des ukrainischen Geheimdienstes. Zudem legen Recherchen nahe (wie bspw. des Journalisten Seymour Hersh – wir berichteten darüber [Editorial: Die Kunst des Lügens und Verdeckens.], dass Umfang und Material der Sprengungen auf eine Unterstützung oder zumindest Tolerierung durch den US-Imperialismus hinweisen. Der politische Hintergrund liegt heute noch offener als vor drei Jahren: Der Kern der wirtschaftliche Entflechtung der EU von Russland sei die „Energieunabhängigkeit“, und das wiederum sei eine Voraussetzung für militärische Aufrüstung und Konfrontation. Zwei Verdächtige wurden Ende September und Ende August festgenommen, einer in Polen und einer in Italien. Bei beiden verhinderten Justizurteile eine Auslieferung, weitere strafrechtliche Verfolgung und damit eine Aufklärung der Anschläge.


Polnische Justiz lässt Verdächtigen frei


Der per europäischem Haftbefehl gesuchte Verdächtige Wolodymyr Z. wurde nicht einmal zwei Wochen nach seiner Verhaftung von einem polnischen Gericht freigesprochen und freigelassen. Das Gericht hatte offenbar wenig Interesse daran dem eigentlichen Untersuchungsgegenstand nachzugehen, sondern bemühte sich vor allem die Interessen der polnischen Herrschenden und der Meinung der Regierung zu entsprechen. Und diese drückte Ministerpräsident Donald Tusk nach der Urteilsverkündung am 7. Oktober unmissverständlich aus. „Der Fall ist abgeschlossen. (…) Das Problem mit Nord Stream 2 ist nicht, dass sie gesprengt wurde. Das Problem ist, dass sie gebaut wurde.“1


Das italienische Gericht stellte sich nicht so offen wie das polnische gegen jegliche Versuche der Untersuchung des Falls, sondern bemüht sich mit juristischen Taschenspielertricks eine Auslieferung des zweiten Verdächtigen Serhij K. an Deutschland zu verhindern.


Justiz im Interesse der Herrschenden: Aufklärung unerwünscht


Nicht nur Polen oder Italien haben mit diesen Urteilen gezeigt, dass es sich bei den Ermittlungen und beim Verfahren gegen die Beteiligten der Anschläge auf North Stream 2 in Wahrheit um ein Kasperltheater handelt. Die deutsche Regierung, die sonst so gerne anderen Ländern zeigt „wo es lang geht“ und in der EU mit Vorlieben ein Sanktionspaket nach dem anderen auf den Weg bringt, äußert sich nicht zur Umgehung der Auslieferungsanträge und bekräftigt gleichzeitig, dass „North Stream 2 endgültig begraben werden muss“2. Der gesamte Umgang des „Westens“ mit den Anschlägen erweckt zurecht den Anschein, dass man diese Angelegenheit am liebsten aus dem öffentlichen Diskurs verbannen möchte. Zu unangenehm sind die damit verbundenen Fragen und Vermutungen: Kann eine ukrainische Einheit solch einen Anschlag ohne Unterstützung oder Erlaubnis durch stärkere Länder/Geheimdienste überhaupt durchführen? Warum rührt kein EU-Politiker auch nur einen Finger, wenn eines ihrer größten Energieprojekte der letzten Jahrzehnte in die Luft gesprengt wird? Wer hatte das meiste Interesse daran, North Stream 2 zu zerstören?


Vergleiche helfen dabei, den Umfang solcher Gerichtsurteile einordnen zu können. Die bisher nicht geklärten „Drohnennüberflüge“ über Flughäfen mehrerer Länder in der EU, wurden in einer Art und Weise kanalisiert, dass Deutschland gerichtlich eine Abschussfreigabe erteilte. Im größten Sabotageakt seit dem 2. Weltkrieg wird nicht einmal auf ein ordentliches Gerichtsverfahren gedrängt!


Auch wenn die Justiz verschiedener Länder die Sabotage die im September 2022 militärisch durchgeführt wurde, nun durch strafrechtliche Verdunkelung fortsetzt, haben die Resultate welche die North-Stream 2 Sprengungen gebracht haben, einiges ans Licht gebracht. Die Konkurrenz und Spannungen zwischen den Großmächten, angetrieben an erster Stelle durch die USA, verwandeln sich zunehmend in offenes Kriegsgentrommel. Die wirtschaftlichen Verbindungen vieler europäischer Länder mit Russland waren vor allem jenen ein Dorn im Auge, welche eine Isolierung und Einkreisung Russlands befürworteten. Die Pipeline wurde damit von einer Energie- zur Kriegsfrage, eng verbunden mit dem Verlauf des Ukraine-Kriegs. So drohte Joe Biden schon 2021: „Wenn Russland einmarschiert, wird es kein North Stream 2 mehr geben, wir werden dem Projekt ein Ende setzen.“3 Die North-Stream 2 Sprengung hat viele Länder Europas, vor allem den deutschen Imperialismus, auch in der Energieversorgung enger an die USA gebunden. Die Arbeiter und breite Schichten der Bevölkerung müssen unter dem Vorwand der „Energiekrise“ ein vielfaches der bisherigen Preise aufbringen um ihre Wohnung heizen oder ihre kleinen Betriebe am Laufen zu halten. Die großen Energiekonzerne sind es, die ihre Profite durch die erhöhten Preise um ein vielfaches vergrößerten.


Die Sprengung von North Stream 2 war offenbar verbunden mit dem Interesse einen bestimmten politischen Kurs durchzusetzen. Jede Möglichkeit diesen Kurs zu ändern, sollte physisch liquidiert werden. Und an diesem politischen Kurs liegt es auch, dass jede weitere strafrechtliche Verfolgung und Aufklärung der Sprengungen sabotiert und verhindert wird. Der polnische Ministerpräsident Tusk symphathisiert offen mit den Anschlägen und erklärt, sich nicht an das Gesetz halten zu müssen. Die Herrschenden und ihre Justiz in anderen EU-Ländern inszenieren ein Jusitz-Theater. Eine wirkliche strafrechtliche Verfolgung und Aufklärung dieser Ereignisse wird wohl nur gegen diesen herrschenden politischen Kurs vorangebracht werden können.



2Friedrich Merz, www.nzz.ch


Kommentare


bottom of page