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Editorial: Die Kunst des Lügens und Verdeckens.


Wer die Macht hat, bestimmt die Wahrheit. So oder so ähnlich kann man das Verhalten der Herrschenden und ihrer Medien-, Nachrichten- und Literaturproduktion charakterisieren. Von den zahlreichen Lügen die uns Tag für Tag aufgetischt werden, gibt es auch zahlreiche die untersucht werden sollten. Die Wahrheit ist nichts, was im Kopf einiger weniger hergestellt wird, sondern etwas das sich durch Untersuchung der Wirklichkeit und ihrer Zusammenhänge für jene erschließt, die sie auch wissen wollen.


Kinder werden im bürgerlichen Moral- und Schulsystem so erzogen, dass sie nicht lügen sollen. „Kritisches Hinterfragen“ wird vor allem da antrainiert, wo es um „unseriöse“ Quellen und Medien abseits der staatlich legitimierten geht. Es sind also wiederum die Herrschenden, die bestimmen was „seriös“ oder „unseriös“ sei. Was aber, wenn die wirklich großen und wichtigen Falschmeldungen und Lügen von ganz oben kommen, von Staatsapparaten, Präsidenten und Staatsinstitutionen?


Beginnen wir mit der Frage der Explosionen bei den North Stream Gaspipelines in der Ostsee vergangenes Jahr. Nun wurde durch den bekannten Investigativjournalisten Seymour Hersh publik gemacht, dass es die höchsten Stellen der USA selbst waren, die diesen Anschlag auf russisch-europäische Infrastruktur geplant und durchgeführt haben (was nebenbei bemerkt der größte Anschlag auf europäische Infrastruktur seit 1945 war). US-Marinetaucher haben nach Hersh bei einer vom Weißen Haus angeordneten und von der CIA geplanten verdeckten Operation fernzündbare Sprengsätze an den Pipelines angebracht, welche im September 2022 gezündet wurden. Die Untersuchung der Schäden hat bereits im Vorhinein ergeben, dass es sich eindeutig um Sabotage handeln muss. Bisher hat sich jedoch noch keiner, anders als es in den Schulen von Kindern erwartet wird, dazu bekannt. Hierbei geht es natürlich nicht um wenig, denn die Durchführung dieses Angriffs durch die USA bedeutet, dass sie nicht nur indirekt, sondern sehr direkt als Kriegspartei gehandelt hat. Die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA erklärte umgehend: „Diese Behauptung ist völlig und vollkommen falsch.“ Das muss sie machen, handelte es sich doch um eine Geheimoperation. Dem Journalisten Hersh wird nun Lüge und „einseitiges Quellenmaterial“ vorgeworfen. Beginnen wir mit der Frage der Glaubwürdigkeit. Hersh ist nicht irgendein Journalist, sondern jener der, selbst aus dem Pentagon kommend, sich vor allem der Aufdeckung von amerikanischen Kriegsverbrechen gewidmet hat und nicht nur einmal sein Leben dafür riskierte. So deckte er Massaker der US-Army an der Zivilbevölkerung während des Vietnamkrieges auf, geheime Bombardierungen der USA in Kambodscha, die Beteiligung am faschistischen Putsch in Chile, oder auch Informationen über Massaker während des zweiten Golfkrieges. Wenn es darum geht Glaubwürdigkeit zu bewerten, ist es mit Sicherheit Hersh der als zuverlässigere Quelle als die gesamte politische US-Elite eingeschätzt werden kann. Aber es geht auch um Interessen, und hier ist es absurd zu behaupten, Russland hätte den Anschlag selbst verübt. Dass es aus den Reihen der NATO und ihrer Verbündeten das meiste Interesse gibt, war auch schon vorher ein offenes Geheimnis. Die USA ist aber jene Partei, die am meisten davon profitiert, den europäischen Raum von Energielieferungen durch Russland abzuschneiden, auch für die „Zusammenarbeit“ im Ukraine-Krieg. Es muss gesehen werden, dass auch solche Angriffe zum Repertoire des US-Imperialismus zählen und die scheinheilige Behauptung, man würde „selbstlos“ die Ukraine unterstützen, ohne eigene Kriegsinteressen zu verfolgen, bloßer Schall und Rauch ist.


Auch in Österreich finden wir die Lüge als Instrument um Interessen durchzusetzen. Nun wurde das 2018 gegebene Versprechen der damaligen türkis-blauen Regierung, dass die Zusammenlegung der Kassen eine Einsparung von einer Milliarde bis zum Jahr 2023 bringen würde, als „Schmäh“ enttarnt. Die sogenannte „Patientenmilliarde“, die dem Gesundheitsbereich zugute kommen sollte, verwandelte sich in Luft, oder besser gesagt in Mehrkosten und Kürzungen im Gesundheitsbereich. Statt Einsparungen im Verwaltungssektor und einem Ausbau des Gesundheitssystems, entstanden Mehrkosten von 215 Millionen Euro. Im Bericht des Rechnungshofes steht überdies, dass das Milliardenziel von vornherein unrealistisch war: „Die Annahme des um 30 Prozent sinkenden Verwaltungsaufwands wird nicht näher begründet“. Die Lüge der Patientenmilliarde war also geboren, um die Bevölkerung für das Projekt der Kassenzusammenlegung zu gewinnen, das eigentliche Ziel war jedoch die Einsparung und Umstrukturierung auf Kosten der Patienten. Veröffentlicht wird solch ein Skandal freilich erst dann, wenn alle handelnden Akteure nicht mehr im Amt sind: Kurz, Strache und Co. Denn nun muss sich anscheinend niemand mehr rechtfertigen. Besondere Beachtung sollte aber hier der FPÖ zukommen, die sich als „saubere“ Partei der „Kleinen“ inszeniert. In Regierungsverantwortung war sie noch immer genauso wie die anderen Parteien des Kapitals: ein Gegner der Arbeiter und des Volkes … und Lügenerzähler.


Manche kommen nach derart viel Lüge und Unwahrheit zum Schluss, dass es keine Wahrheit mehr geben könne, oder basteln sich ihre eigene. Das lässt sich zwar aus den allgemeinen Umständen erklären, ist aber dennoch falsch und eine Kapitulation vor den Meinungskampagnen der Herrschenden. Wir sollten weder kapitulieren, noch uns vor ihren Lügenkarren spannen und wiehernd für ihre Zwecke antreiben lassen. Wenn die Herrschenden ihre Interessen nur durch Desinformation und Lügen durchsetzen können, müssen wir uns an jene halten, die kein Interesse an der Lüge und Verschleierung haben: und das ist das Volk, die Unterdrückten und Ausgebeuteten. Schon Falco, der vor genau 25 Jahren gestorben ist, meinte im Lied „Nie mehr Schule“: „Denn unser Leben in der Tat, ist auch mit eurem Zeugnis hart“. Wir brauchen keine guten Betragensnoten der Herrschenden, und schließen uns an: Nie mehr bürgerliche (Moral-)Schule!



Bildquelle: Eisberg, MoteOo, Pixabay

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