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Noch mit Bargeld überweisen? Ein Erfahrungsbericht.


(Korrespondenz aus dem Alltag)


Vor Kurzem ist mir etwas Verstörendes passiert. Leider ist im Moment mein Konto stärker überzogen, als es mein Rahmen erlaubt, weshalb ich online keine Überweisungen durchführen kann. Bis es wieder ausgeglichen und gut (!) im Rahmen ist, wird es noch einen Monat dauern – ich bin selbständig und meine Einnahmen sind nicht ganz so regelmäßig, dennoch kontinuierlich. Es gab da aber eine Überweisung in der Höhe von 47 Euro, die ich durchführen sollte und auch wollte.


Gut, dann überweise ich eben in bar, habe ich mir gedacht und ging auf die Bank. Auf meine Bank wohlbemerkt, also auf jene Bank, bei der ich ein Konto habe. Ich wusste schon, dass eine Barüberweisung extra kosten würde, diese Erfahrung habe ich vor ein paar Jahren bereits gemacht, aber in diesem Fall war mir das egal. Schon als ich der Dame am Schalter mein Anliegen erklärte, fühlte ich mich unwohl. Fast so, als täte ich etwas Verbotenes. Irgendwie sah sie mich verdutzt an. „Nein, dieses Service bieten wir nicht mehr an. Sie können das Geld aber auf Ihr Konto einzahlen, dann können wir die Überweisung durchführen.“ Ich erklärte ihr noch einmal, ja, ganz offen, warum das nicht zum Ziel führen würde und ob ich nicht eben doch einfach in bar ... Nein, das wäre nicht mehr möglich, so ihre Antwort. Ok. Mehr fiel mir im Moment nicht ein und ich verließ die Filiale. Dann versuche ich es bei einer Postfiliale. Da konnte man früher ja immer alles mit Erlagschein zahlen, unabhängig von irgendwelchen Bankkonten. Ist aber vielleicht auch schon ewig her, so genau wusste ich das nicht. Sicherheitshalber wollte ich vorher anrufen. Die üblichen automatisierten Telefonansagen und: „Um die Qualität unserer Beratung ständig zu verbessern, möchten wir das Telefongespräch gerne aufzeichnen. Wenn Sie damit einverstanden sind, drücken Sie auf 1.“* Ich drückte nicht auf 1. Nach einigen Minuten Wartezeit erklärte mir jemand, dass ich mich hierzu an die Bank99 wenden müsse. Ich rief also dort an. Die üblichen Ansagen und: „Aus Sicherheitsgründen wird dieses Telefongespräch aufgezeichnet.“ Nun keine Auswahlmöglichkeit mehr. In Sekundenschnelle schoss es mir durch den Kopf, dass da ja in den Augen der Ab- und ZuhörerInnen jetzt jemand anrufen würde, der womöglich große illegale Schwarzgeldbeträge anonym loswerden möchte oder was auch immer und die mich dann sofort „auf dem Kieker haben“. Ich legte auf. Frustriert fuhr ich nach Hause, gab meinem Sohn 50 Euro und bat ihn, das für mich zu erledigen.


Kann das sein? Dass man in Österreich nicht mehr mit Bargeld überweisen kann? Und was machen dann jene, die kein Konto haben? Gibt es überhaupt noch Menschen, die kein Konto haben? Ich gestehe, ich habe jetzt nicht umfassend recherchiert, da ich vor allem mein Erlebnis erzählen wollte, aber zumindest Folgendes habe ich auf die Schnelle gefunden:


2016 wurde in Österreich das Recht auf ein „Basiskonto“ eingeführt. Davor waren rund 150.000 Menschen ohne eigenes Konto, vor allem von Armut Betroffene, Überschuldete, Obdachlose, Asylsuchende, PensionistInnen. Die aktuelle Zahl ließ sich trotz mehrfacher Telefonate nicht herausfinden. Mit einem Basiskonto werden die grundlegenden Funktionen eines Kontos abgedeckt, sodass jede und jeder an einem „normalen“ Leben mit digitalem Zahlungsverkehr teilnehmen kann. Die Maximalgebühr für ein Basiskonto beträgt 83,45 pro Jahr, für „Begünstigte“ 41,73. Generell ist zu erwähnen, dass es keine Gratiskonten mehr gibt. Der durchschnittliche Girokontoführungspreis beträgt derzeit 137,-- pro Jahr, das sind 10 % mehr als 2021. Und man muss ehrlich sagen, 83,45 sind da nicht sehr günstig im Vergleich. Nach wie vor ein großes Thema ist, dass viele Banken unrentable Bestandskonten, die zum Teil seit 40 Jahren bestehen, einfach aufkündigen. Betroffen sind hier vor allem PensionistInnen.


Hat man dennoch kein Konto, so wird es kompliziert und teuer. Erstens gibt es kaum noch Banken, die Bar-Überweisungen durchführen, aber immerhin gibt es doch noch wenige (ich habe einige durchgerufen), und zweitens verlangen diese dafür pro Überweisung zwischen 3 und 20 Euro! Will man als Privatperson mehr als 1.000 Euro in bar auf ein Konto überweisen, muss man sich außerdem ausweisen. Grund dafür ist das Finanzmarkt-Geldwäschegesetz. Große Einschränkungen hinsichtlich Privatsphäre passieren eben immer wieder mit Hinweis auf die „Sicherheit“ – ein zweischneidiges Schwert.


Dazu ein kleiner Nachtrag: Zwei Tage nach jenem Ereignis rief mich mein Bankbetreuer an und fragte nach, wie es mit den erwartbaren Einkünften aussehe. Obwohl ich ihm das penibel schon Anfang des Jahres für das erste Quartal zusammengeschrieben habe. Ganz nebenbei streute er ein, dass er die letzten Bankomatabhebungen nicht verstehe und auch die „hohe“ Überweisung an meine Tochter und dass man in so einer Situation halt schon ein bisschen sparen müsse ... Fast reflexartig habe ich mich verteidigt, erst nach Ende des Gesprächs ist mir bewusst geworden, wie übergriffig und erniedrigend diese Aussagen eigentlich waren. Und wie gut er über meine Ausgaben Bescheid weiß, wie viel, wann, an wen! So viel zum Thema „digitales Leben“ ...




Bildquelle: Geldschein - stux - Pixabay


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