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Landtagswahl NÖ: Die „Altparteien“ auf niedrigstem Stand seit 1945


Die niederösterreichische Landtagswahl hat zwei große Verlierer: die „Altparteien“ ÖVP und SPÖ, die sich das Land in der zweiten Republik „aufgeteilt“ hatten. Beide erlangten ihr schlechteste Ergebnis seit 1945. Die Wahl zeigt zweierlei Dinge: erstens, die Menschen wollen nicht mehr so weiter wie bisher und zweitens, die größte Partei im Bundesland sind erstmals die Nichtwähler.


Nun wurden den Parteien der „Großen Koalition“ die Leviten gelesen. Die ÖVP verlor knapp 10 Prozent ihrer Wählerstimmen, die SPÖ fuhr einen weiteren „Triumph“ ein und unterbot sich erneut selbst. Spitzenkandidat Schnabl musste blind sein, denn noch am Wahltag äußerte er gegenüber den Medien ein „sehr gutes Gefühl“. Trotz allem muss man die Niederlage dieser zwei Parteien doch differenziert betrachten, der „Niedergang“ hat seine jeweiligen Spezifika.


Die ÖVP mobilisierte vor allem für ihren eigenen Machterhalt, aber auch hier spielt sie mit einem Wettkampf gegen die Zeit, denn ihre stärkste Wählergruppe sind Pensionisten. Sowohl bei den unter 30-Jährigen, als auch bei den unter 60-jährigen hätte sie nur rund 30 Prozent der abgegebenen Stimmen erreicht, was das Ergebnis um weitere zehn Prozent sinken ließe. Ebenfalls hat die ÖVP bei jenen gepunktet, die mit der Entwicklung im Bundesland „zufrieden“ sind und auch jene, die mit dem „Einkommen gut“ auskommen. Genau jene die noch an den Parteien die die Regierung stellen festhalten, sind jene die sehr wenig von Teuerungen oder Energiepreissteigerungen betroffen sind. Was waren aber die Themen, welche die Wähler am meisten beschäftigten? Mit absolut größtem Abstand war das Thema „Inflation und steigende Preise“ der ausschlaggebende Faktor, neben der „Sicheren Energieversorgung“, der „Zuwanderung und Integration“ und „Gesundheit und Pflege“. Wie verhält sich aber die Politik der Herrschenden zu den steigenden Preisen, der Energieversorgung, der Gesundheit im Bundesland? Die Arbeiter, Angestellten, die kleinen Gewerbetreibenden usw… werden zur Kasse geben, und für viele steht die Existenz auf dem Spiel. Diese Wahl war ein deutliches Zeichen dafür, dass immer weniger glauben, dass die Regierungsparteien etwas für die Mehrheit der Bevölkerung verbessern würden. Umso mehr gab es Zuspruch für die im letzten Jahr neu gegründete „Aktion für demokratische Rechte des Volkes“ (ADRV) [LINK], die mit zahlreichen Aktionen im Bundesland einen anderen Weg vorzeigte, nämlich den Weg des Zusammenschlusses des Volkes.


Diese herbe Niederlage für die ÖVP hat nicht nur Auswirkungen auf die niederösterreichische Landespolitik, sondern vor allem auch auf den Bund, die Regierung und die ÖVP insgesamt. Niederösterreich war nicht nur das Kernland der ÖVP, sondern auch ihre stärkste Landessektion. Dass diese nun abgestraft wurde ist auch ein Zeichen der massiven Unzufriedenheit mit der Bundespolitik und ihrer führenden Partei. Dass die Grünen nun als einer der „Wahlsieger“ präsentiert werden, ist vollkommen falsch, denn die niederösterreichische Landtagswahl hat vor allem gezeigt, dass die Menschen mit dem politischen Kurs im Gesamten unzufrieden sind und kein Vertrauen in die Repräsentanten dieses Systems haben. Natürlich sind da die Grünen als Regierungspartei nicht ausgenommen. Die Wahl wird die politische Krise noch verschärfen, und die bevorstehende Landtagswahl in Kärnten ein ähnliches Bild abliefern.


Der große Wahlsieger FPÖ?


Rein nach der Medienberichterstattung der Mainstream-Presse könnte man meinen, der große Sieger dieser Wahl sei die FPÖ. Mit einer Zunahme von knapp zehn Prozent hat die FPÖ ihr bisher bestes Ergebnis in Niederösterreich erlangt. Die FPÖ konnte vor allem Proteststimmen und Wähler die mit der Politik der Herrschenden unzufrieden sind für sich gewinnen. Sieht man sich die „Stammwähler“ der Partei an, so liegen diese unter jenen der SPÖ. Nur 92.000 der 217.700 Wähler der FPÖ, haben diese auch schon 2018 unterstützt (im Vergleich dazu haben 150.000 SPÖ Wähler sowohl 2018, als auch 2023 diese Partei gewählt). Geht man noch weiter zurück, hat die FPÖ noch viel weniger Stimmen erhalten. Die FPÖ konnte hauptsächlich unzufriedene ÖVP-Wähler für sich gewinnen, in Summe waren es 72.000 ehemalige ÖVP-Wähler die dieses Mal FPÖ wählten. Was die FPÖ tatsächlich zu einem gewissen Grad schaffte, ist, sich als tatsächliche „Oppositionspartei“ zu inszenieren, eine Partei die zumindest mehr auf die Bedürfnisse der Bevölkerung eingehen würde als die anderen. Sehen wir uns die FPÖ in Regierungsbeteiligung an, so erfüllen sich diese Hoffnungen nicht im Geringsten: es war die FPÖ die beispielsweise im Bund eine massive Einschränkung des Demonstrationsrechts forderte und zur stärkeren EU-Einbindung und NATO-Zusammenarbeit Österreichs verholfen hat. In Oberösterreich bildet die FPÖ gemeinsam mit der ÖVP die Koalition im Landtag. War das eine Trendumkehr? Sowohl an antidemokratischen und antisozialen Maßnahmen wurde festgehalten, zahlreiche kleine Betriebe stehen vor dem Aus wegen hoher Energiepreise und die Lasten der Teuerung muss die Bevölkerung begleichen. Das „Machtsystem“ wird offenbar nicht gebrochen, weil eine andere „Farbe“ in der Landesregierung vertreten ist.


Im Gegensatz zur FPÖ konnte die SPÖ ihre „Oppositions“position offenbar überhaupt nicht nutzen. Die Krise der Sozialdemokratie ist fest und tief, das bestätigt auch diese Wahl. Denn obwohl es eine enorm hohe Inflation gibt und vielen Menschen Armut droht, konnte die angeblich „soziale Partei“ keine zusätzlichen Wähler mobilisieren. Die Sozialdemokratie ist eine angepasste Partei des Systems, der Eliten und des Kapitals und das sehen die Arbeiter und das Volk offenbar ebenso. Spitzenkandidat Schnabl, der selbst unter den SPÖ-Wählern sehr unbeliebt ist, meinte Ende 2022 gegenüber dem Kurier: „Wenn wir die Industrievertreter als Partner und nicht als Gegner haben, sind wir als Partei gut aufgestellt.“ Diese Aussage stimmt höchstes für das Gehalt der SPÖ-Spitzen. Sie ist jedoch eine klare Ansage für eine Partei, die sich anschickt „die Kleinen“ zu vertreten.


Die Kleinparteien in der Landtagswahl und die Mobilisierung der „Aktion für demokratische Rechte des Volkes“


Sowohl die MFG (Menschen Freiheit Grundrechte), als auch die KPÖ kamen nicht über die 0,5 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen. Für die MFG war diese Wahl tatsächlich schon der Todesstoß und ihre kurze Existenz gibt vor allem Lehren darüber, wie schnell eine angebliche Opposition „eingekauft“ und dezimiert werden kann. Noch bei den Gemeinderatswahlen in Waidhofen an der Ybbs im Jänner 2022 (also vor genau einem Jahr), erlangte die MFG 17 Prozent und war damit drittstärkste Kraft. Ein Jahr später schaffte sie nicht einmal mehr den Antritt in diesem Wahlkreis. Kein Wunder, formulierte die Spitzenkandidatin Christine Lukaschek als Ziel für die Wahlen den übrigen Parteien „wenigstens wehzutun“ und sie „zum Nachdenken bringen“ (1). Auch dieses Ziel wurde mit 0,49 Prozent an Wählerstimmen verfehlt. Es verhält sich auch in Niederösterreich offenbar so, wie es schon der ehemalige MFG-Bundesgeschäftsführer und Chef der Landesgruppe Salzburg, Gerhard Pöttler, nach dessen Austritts aus der Partei formulierte: „Ich bin zur Auffassung gekommen, dass die handelnden Personen bei uns zum Teil nicht mehr in die Praxis umsetzen, was wir unseren Unterstützern versprochen haben. Da kann und will ich nicht mehr mitmachen.“ Er meinte weiter, dass sich die MFG schon an das herrschende System angebiedert hätte. Abgesehen davon, dass die MFG nie wirklich ein prinzipiell anderes System im Auge hatte, zeigt diese Erklärung doch auch, wie rasch neue Gruppierungen in das System eingegliedert werden. Die MFG ist ein Vorzeigebeispiel dafür, wie die Illusionsmacherei in die Wahlen auch zu ihrem eigenen Untergang führt. Während viele Leute sehen, dass die Wahlen für sie keine positiven Veränderungen bringen und die Macht weiter unter den Herrschenden aufgeteilt wird, rufen Kleinparteien wie die MFG von einer Wahl zur nächsten, und ihr Kurs wird (ob gewollt oder nicht gewollt) durch die Mächtigen diktiert. Parteivorsitzender Brunner meinte kurz nach der Wahl, dass das nächste Ziel der „Antritt bei der Nationalratswahl 2024“ sei. Ein „Vertrösten“ der Bevölkerung auf irgendwelche Wahlen kennen wir auch von den Großparteien.


Die KPÖ erlangte 0,38 Prozent, was 3.437 der abgegebenen Wählerstimmen ausmacht. Im Vergleich zu den niederösterreichischen Landtagswahlen 2013 und 2008 (im Jahr 2018 nahm die KPÖ nicht teil), kann ein Abwärtstrend verzeichnet werden. 2013 erreichte die KPÖ noch 0,77 Prozent, was 7.550 Stimmen ausmachte und im Jahr 2008 0,86 Prozent, in Stimmen waren es 8.861. Trotz eines Wahlprogramms, das viele der Sorgen und Nöte der Bevölkerung anspricht, wie beispielsweise die teuren Wohnkosten, der mangelhaft ausgebaute öffentliche Verkehr und die niedrigen Löhne, konnte die KPÖ in der Zeit der Verschärfung der Krise nicht zusätzliche Wählerstimmen gewinnen. Hier sind wir beim Kern der Sache angelangt, dass es auch die Frage ist, WIE ein „gutes Programm“ umgesetzt und erkämpft werden kann. Es reicht nicht, den Mächtigen „auf die Finger zu klopfen“, oder sich eine „bessere Politik“ zu wünschen. Die Herrschenden und Kapitalisten haben ihr eigenes Programm und ihre eigenen Interessen und diese durchzusetzen heißt die Lage der Bevölkerung herabzudrücken, demokratische und soziale Rechte abzubauen und die Löhne zu senken. Verbesserungen für die Arbeiter und das Volk können nur erstritten und erkämpft werden und dafür braucht es einen breiten Zusammenschluss des Volkes gegen die Herrschenden und ihr System der Ausbeutung und Unterdrückung. Die Wahlen, die offenbar genauso dem Machterhalt der Eliten dienen, sind hierzu kein taugliches Instrument für das Volk, das zeigt auch die zunehmende Abkehr vom parlamentarischen Wahlspektakel. Immer wieder erneut den „Traum“ der einfachen und kampflosen Veränderung zu verbreiten, aber nicht die Konsequenz zu ziehen, eine wirkliche Opposition zum volksfeindlichen System zu organisieren, wird nur die Meinung „man kann ja eh nichts verändern“ stärken und dazu führen, sich immer weiter anzupassen. Will das Volk nicht weitere Niederlagen erleiden, muss es seine eigene Art zu Kämpfen stärken. Dies zeigte die Initiative „Aktion für demokratische Rechte des Volkes“ (ADRV), die in einer Kampagne den Wahlboykott und den Zusammenschluss des Volkes für seine Interessen ins Zentrum stellte. In vielen Städten wurde Flugblätter verteilt in denen es heißt: „Weiterhin zu hoffen, dass sich bei all diesen Dingen durch die Wahl etwas verbessern würde ist Illusion. Dieses System steht für eine volksfeindliche Politik und das sehen wir tagtäglich. (…) Es wird sich nur etwas ändern, wenn sich die „einfachen Menschen“ zusammenschließen und dafür kämpfen: in den Gemeinden, in den Städten, in Betrieben und Schulen. Deshalb rufen wir zum Boykott der Wahl auf.“ Nach der Landtagswahl hat sich genau das bestätigt und wir sehen, dass sich für die Mehrheit der Bevölkerung nichts zum positiven verändern wird. Aber die Wahl hat auch gezeigt, dass es einen guten Boden dafür gibt, dass sich viele nicht alles gefallen wollen und deshalb muss vor allem der Zusammenschluss im Volk gestärkt und erweitert werden. Genau das hat die Initiative auch schon vor der Wahl erfolgreich gezeigt.


Die Nichtwähler als stärkste Partei


Obwohl mit 71,56% die Wahlbeteiligung um knapp fünf Prozent im Vergleich zur Wahl 2018 gestiegen ist, reiht sie sich trotzdem in die allgemeine Tendenz der sinkenden Wahlbeteiligung ein. Diese „Steigerung“, die von diversen „Experten“ prominent und positiv hervorgehoben wurde, ist hauptsächlich ein Taschenspielertrick. Die Wahlbeteiligung ist aus zweierlei Gründen gestiegen: Erstens und zum allergrößten Teil aufgrund der ehemaligen Zweitwohnsitzwähler. Diese Wahl waren jene mit Zweitwohnsitz in Niederösterreich nicht mehr wahlberechtigt. 47.000 (von insgesamt knapp 90.000) dieser Zweitwohnsitze haben bei der letzten Wahl nicht gewählt und sind dieses Mal nicht zugelassen. Sie wurden also nicht „neu erobert“, sondern sind einfach nicht mehr wahlberechtigt. Der zweite Grund ist die Stammklientel der ÖVP, welche durch die Partei für diese Wahl gegen einen „drohenden Absturz“ mobilisiert wurden, aber letzte Wahl nicht hingegangen sind. Dieses Stammklientel betrug 36.000 ehemalige „Nicht-Wähler“. Es wäre absurd zu behaupten, die ÖVP hätte so eine hohe Anzahl an „von der Politik enttäuschten“ Nicht-Wählern für sich mobilisieren können. Es sind natürlich solche, die nur fallweise zur Wahl gingen, als die ÖVP ohnehin noch „fest im Sattel“ gesessen ist. Rechnet man diese zwei Zahlen zusammen, ergibt sich eine Summe von 83.000. Das sind in etwa so viele wie diese „Steigerung der Wahlbeteiligung“ von etwa fünf Prozent ausmacht. Das ist Betrug, denn wir sehen, dass die Wahlbeteiligung nicht gestiegen ist, das heißt nicht entscheidend jene mobilisiert werden konnten, die keine Illusionen darin haben, dass die Systemparteien etwas positives für sie verändern würden. Auch mit diesen Tricks können die Herrschenden nicht darüber hinweg täuschen, dass die größte und stärkste Kraft die Nichtwähler sind!


Die niederösterreichische Landtagswahl zeigte hingegen auch, dass nicht mehr Leute zu den Nicht-Wählern übergegangen sind als 2018. In Zeiten einer massiven Zuspitzung der gesellschaftlichen Verhältnisse gehen die enttäuschten Wähler der Großparteien eher zur „Protestpartei“. Das verdeutlicht die wichtige Funktion der FPÖ als Stütze des Kapitals und des kapitalistischen Systems. Sie fängt derzeit die „Unzufriedenen“ von ÖVP und SPÖ auf. Sie hilft damit das „Gesicht“ einer ausgehöhlten Demokratie zu wahren, die vorgibt, dass die Bevölkerung „mitzubestimmen“ hätte. Das Drängen im Volk nach wirklichen Verbesserungen und nach Veränderungen, das diese Wahl deutlich gezeigt hat, wird aber nicht mit einer „Scheinopposition“ und selbsternannten „Protestpartei“ erfüllt werden. Dafür braucht es wirklichen Protest und wirkliche Opposition. Diese kann jedoch nur aus dem Volk selbst kommen und die Keime dafür wurden bereits gelegt.






(1) diepresse.at

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