Ein altes Klischee lautet, dass Geschichte immer von den Siegern geschrieben wird. Das stimmt nur zum Teil. Eigene geschichtliche Auffassungen zu entwickeln, darum haben nicht nur die Herrschenden und Mächtigen, sondern auch die Ausgebeuteten und Unterdrückten immer gekämpft und das war Teil jeder demokratischen Widerstandsbewegung. Auch heute geht es darum, mit der sogenannten „Aufarbeitung“ der Corona-Maßnahmen.
Die Regierung will den Maßnahmengegnern „die Arme entgegenstrecken“. Die Arme streckt sie aber eher aus wie ein Ertrinkender, schwimmen doch der ÖVP gerade die Wählerstimmen weg. Um die „Spaltung der Gesellschaft“ zu überwinden, dazu müsse man aufarbeiten. So wird eingeräumt, dass die Schulschließungen unverhältnismäßig gewesen wären. Etwas anderes zu sagen wäre auch schwer vertretbar, haben doch die Corona-Maßnahmen zu einer bisher nicht gesehenen Zahl an Selbstmordversuchen bei Kindern geführt. Laut „Komplexitätsforscher“ Peter Klimek sind diese Folgen der Maßnahmen und Lockdowns als Kollateralschäden abzutun. Was „gut und schlecht“ ist, könne man letztendlich weder vorhersagen noch resümieren, da es ein „Riesenkonvolut“ an Maßnahmen wäre. Das ist natürlich eine Ausflucht. So haben Wissenschafter wie Clemens Arvay zum Beispiel bereits während der ersten Impfung richtig vorhergesagt, dass Impfstoffe, die nicht vor Übertragung schützen, zu resistenten Mutationen führen.
Natürlich werden die Experten und „Bürgerräte“ nur eine Echokammer für die „Message Control“ der Regierung werden, die die Folgen als geringe Kollateralschäden bagatellisiert. Arbeitslosigkeit und Lohnverlust durch Kurzarbeit von Millionen, der Ruin von tausenden kleinen Unternehmen, das alles lässt sich aber nicht so einfach beiseite schieben. Die Milliardengeschenke an die großen Monopole sind geflossen. Im Wesentlichen kann nicht von Gesundheitsmaßnahmen geredet werden, sondern von ökonomischer und politischer Krisenbewältigung der Herrschenden, der Kapitalisten. Deshalb kann es hier keine „gemeinsame Aufarbeitung“ geben. Die Untergrabung von grundlegendsten demokratischen Rechten, vom Einsatz der Miliz im Inneren (das erste Mal in der zweiten Republik!) bis zur Impfpflicht, und einer bisher nicht gesehenen Einschränkung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit gehen damit einher. Mit der Aufhebung der Impfpflicht wurden diese antidemokratische Angriffe aber ebenso spektakulär zurückgeschlagen.
Dass es nicht um eine Aufarbeitung, sondern um die Besänftigung der Bevölkerung geht, zeigt auch des politische Resümee das gezogen wurde: es brauche ein neues „Krisensicherheitsgesetz“. Anstatt in das Gesundheitswesen und die allgemeinen Hygienebedingungen, deren Zustand der Dreh- und Angelpunkt innerhalb einer Pandemie oder Seuche ist, zu investieren, wird vor allem das Innenministerium und Bundesheer ins Zentrum gestellt. Schon alleine auftrund der Erweiterung der Befugnisse und des Einsatzes des Militärs im Inneren, muss dieses Gesetz als Repressionsinstrument entlarvt und zurückgewiesen werden. Wenn die Bilanz der Herrschenden zur Corona-Pandemie lediglich die Ausweitung des Repressions- und Unterdrückungsapparats ist, wird ersichtlich wie notwendig es war, in der Pandemie gegen Demokratie- und Sozialabbau aufzutreten. Das Krisensicherheitsgesetz rüstet vor allem gegen zunehmende politische Krisen im Inneren, also ein zunehmendes Auflehnen und Protest der Bevölkerung gegen die herrschende Klasse. Die Regierung „arbeitet auf“, aber auch die Bevölkerung muss die Lehren aus diesen Kämpfen ziehen. Die Geschichte selbst zu schreiben ist ihre Grundlage für die Siege der Zukunft.
Eine wirkliche „Aufarbeitung“ bedürfte ein Ereignis, das sich diesen Monat zum 20. Mal jährt: der zweite Irak-Krieg. Am 20. März 2003 begann der Irak-Krieg mit der Bombardierung von Bagdad. Nach relativ kurzer Zeit stürzten Truppen der US-Armee und der „Koalition der Willigen“ die Regierung Saddam Husseins und leiteten eine bis 2011 dauernde Besatzung des Landes ein. Der offizielle Grund, die Existenz von Massenvernichtungswaffen, womit der sogenannte „Präventivkrieg“ legitimiert wurde, ist heute als Lüge anerkannt. Der Krieg der USA und ihrer Verbündeten, der allein offiziell zum Tod von bis zu 600.000 Zivilisten führte, wurde für strategische Interessen geführt: die Neuaufteilung der Welt im Dienst der hegemonialen Ziele der USA und die Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen und Arbeitskräften. Wenn „Aufarbeitung“ ernst genommen wird, muss eine Schlussfolgerung dieses blutigen Ereignisses die Ablehnung des imperialistischen Krieges und Weltsystems sein. Das bedeutet, dass auch heute jegliche Einmischung der USA und ihrer Verbündeten im Ukraine-Krieg abgelehnt werden muss. Weder damals im Irak, noch heute in der Ukraine werden sowohl von Seiten Russlands, als auch von Seiten des „Westens“ demokratische Rechte, oder die Interessen der Bevölkerung verteidigt. Das zeigt sich auch darin, welches Regime durch USA und EU in der Ukraine gefördert und aufrechterhalten wird. Diesen Monat jährt sich auch der internationale Frauenkampftag, der 8. März, und in der Ukraine soll nun dieser „sowjetische“ Feiertag abgeschafft werden. Nicht nur bricht die ukrainische Regierung mit allen demokratischen und antifaschistischen Traditionen im Land, so versucht sie auch die Arbeiterbewegung und ihre historischen Errungenschaften zu zerschlagen.
Es gibt keine „gemeinsame Aufarbeitung“ in einer Klassengesellschaft, ebenso wie es in diesem Sinne keine „allgemeine Geschichtsschreibung“ gibt. Die Aufgabe des Kampfes gegen Demokratie- und Sozialabbau, gegen ungerechten Krieg und die Verteidigung der Errungenschaften der Arbeiter- und Volksbewegung liegt somit bei den Unterdrückten und Ausgebeuteten, beim Volk, das seine Lehren ziehen und darauf aufbauend seine eigene Geschichte schreiben muss!
Bildquelle: Lockdown - Joshuamiranda - Pixabay
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