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ÖL-Konzerne prognostizierten Klimawandel präziser als NASA – und leugneten ihn.

Aktualisiert: 12. März 2023


Anmerkung der Redaktion: dieser Artikel wurde in einer Kurzfassung in der aktuellen Ausgabe der Roten Fahne (LINK ) veröffentlicht.



Die Mineralölkonzerne ExxonMobile, Shell, BP und TOTAL wussten genauestens über die Folgen des Klimawandels Bescheid, lange bevor es in der Öffentlichkeit zum Thema wurde. Interne Dokumente des Öl-Konzerns ExxonMobil wurden von Forschern der Harvard University und des Potsdam-Instituts für Klimaforschung (PIK) ausgewertet. Die Daten und Prognosen von 1977 bis 2003 erheben schwere Vorwürfe gegen den Konzern: die globale Erderwärmung wurde vom Konzern Ende der 1970er Jahre genau vorhergesagt – Zeitgleich wurde dieser Zusammenhang vom Unternehmen jahrzehntelang systematisch verleugnet.



Seit wann die Auswirkungen „fossiler“ Brennstoffe bekannt waren.


Exxon Wissenschaftler warnten ihre Führungskräfte seit mindestens 1977 vor einer potenziell katastrophalen, von Menschen verursachten globalen Erwärmung mit dramatischen Umweltauswirkungen vor dem Jahr 2050. Eine prognostizierte Warmzeit, viel wärmer als alles das die menschliche Zivilisation je erlebte, sogar wärmer als die letzte Warmzeit vor 125.000 Jahren. Der Konzern beschäftigte in den 1970er und 1980er Jahren einige hochkarätige Forscher, arbeitete an den relevanten wissenschaftlichen Fragen, entwickelte aussagekräftige Klimamodelle und betrat in vielen Dingen sogar wissenschaftliches Neuland. Die Wissenschaftler des Konzerns beschäftigten sich schon mehrere Jahre damit, welche Auswirkungen das Verbrennen von sogenannten „fossilen“ Brennstoffe auf das Weltklima hat. Die Prognosen waren verheerend, da bereits die ersten Daten einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Gewinnung und dem Verbrauch gewisser „fossiler“ Energieträger und der Klimaveränderung. Anhand dieser Erkenntnis finanzierte Exxon einen für die wissenschaftliche Forschung ausgestatteten Tanker, der durch die Weltmeere kreuzte, um die CO2-Konzentration in der Luft und den Ozeanen zu messen.


Die von den ExxonMobil-Wissenschaftlern erstellen Klimaprognosen stimmen statistisch nicht nur überwiegend mit später beobachtbaren Temperaturen überein, sondern auch mit Prognosen von staatlichen und akademischen Wissenschaftlern. Eine neue Studie aus Deutschland belegt, dass die Exxon-Prognosen zu 63 bis 83 Prozent übereinstimmen und somit sogar präziser waren als jene der NASA.



Strategie: Leugnen und Zweifel streuen


Der damalige Konzernchef Lee Raymond schreibt zwanzig Jahre später in einer Broschüre, dass es derzeit kein ausreichendes wissenschaftliches Verständnis des Klimawandels gibt, um vernünftige Vorhersagen zu treffen, oder drastische Maßnahmen zu rechtfertigen. Um zu belegen, dass der Verbrauch von fossilen Brennstoffen zu irgendeiner signifikanten weltweiten Erwärmung führt, dazu wäre die Wissenschaft noch nicht in der Lage. Der Konzern schaltete in der „New York Times“ tausende Anzeigen mit Titeln wie „Unklare Wissenschaft“ in denen behauptet wurde, dass es völlig unklar sein, ob der Klimawandel überhaupt negative Folgen für die Menschheit hat. Diese Strategie der Leugnung und Diskreditierung der Klimaforschung wurde in klarem Bewusstsein über mögliche drastischen Folgen für die Völker zugunsten von Profit und Macht auch die nächsten Jahrzehnte weiterbetrieben. Der Konzern gibt Millionen für Spenden an Politiker, die den Klimawandel leugnen und interessensgeleitete Pseudo-Studien aus. Mit diesen Methoden versuchten sie den Mythos, die Klimaforschung habe eine „globale Abkühlung“ vorhergesagt (eine Abkühlung wurde von nur vierzehn Prozent aller Studien prognostiziert), zu festigen. Eine Strategie die zuvor schon bei anderen Industriezweigen wie der Tabakindustrie angewandt wurde. Exxon spielte eine führende Rolle bei der Desinformationskampagne. Mit Hilfe von Exxon wurde innerhalb eines Jahres die „Global Climate Coalition“ ins Leben gerufen (2002 wieder aufgelöst) um die Wissenschaft zur Klimaforschung in Zweifel zu ziehen. Exxon wirkte daran mit, dass die US-Regierung und in weiterer Folge auch Staaten wie China und Indien die internationale Klimavereinbarung über die Beschränkung von Treibhausgasen – das Kyoto-Protokoll – nicht unterzeichneten. Der damalige Konzernchef Rex Tillerson wird drei Jahre später von US-Präsident Donald Trump zum Außenminister gemacht. Der Konzern leugnet bis heute ausdrücklich von den schädlichen weltweiten Auswirkungen seiner Rohstoffe gewusst zu haben und ein bewusstes Klimavergehen begangen zu haben.



Alles im Interesse des Kapitals.


Für die Öffentlichkeit waren die Erkenntnisse der eigenen Klimaforschung nicht bestimmt – die geschäftsschädigenden Befunde wurden verschleiert und grundsätzlich Zweifel an einem Zusammenhang zwischen Produktionsweise und klimatischen Veränderungen gesät. Es wurden Werbekampagnen ins Leben gerufen, eigene Forschungsinstitute finanziert, die gegenteilige Erkenntnisse zur Klimaforschung veröffentlichen sollten. Wissenschaftler die nicht der selben Meinung waren wurden persönlich diskreditiert und Medien die über „beiden Seiten“, im Sinner einer ausgeglichenen Berichterstattung, berichteten, wurden beschuldigt, das Bild zu verzerren und verschleierten. Verschiedene Vertreter der Öl- und Gasindustrie kamen in einer „Arbeitsgruppe zum globalen Klimawandel“ zusammen. Sie gaben sich das Versprechen eine große Kommunikationsoffensive zu starten, um Zweifel zu sähen. „Gewonnen haben wir, sobald der Durchschnittsmensch Zweifel an der Klimaforschung hegt“ (1).



Die Auswirkungen des Klimawandels: Wetterveränderungen nehmen weltweit zu


Überschwemmungen, Hurrikane, Abschmelzen des Permafrostes und der Gletscher, Hitzewellen und Dürren sind auch Folgen klimatischer Veränderungen. Europa erwärmt sich von allen Kontinenten am stärksten. In vielen Ländern Europas war das Jahr 2022 das zweitwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. Hitzewellen und Dürreperioden mit kaum Regen führt zu Problemen bei der Landwirtschaft, der Schifffahrt und der Energiewirtschaft, es steigt die Gefahr für Waldbrände. Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre nahmen nicht ab, sondern zu. Die Werte für Kohlendioxid und Methan liegen am höchsten Stand seit Tausenden Jahren. Weltweit verursachten Wetterextreme Schäden in Höhe von 270 Milliarden Dollar. Beinahe zweihundert Jahre ist es her, als der französische Physiker Joseph Fourier das Prinzip des Treibhauseffekts entdeckte. Er enthüllte, dass die Erdatmosphäre die Strahlungswärme der Sonne zurückhält und die Erde ohne die Atmosphäre viel kälter wäre. Mitte der 1850er-Jahre wurde CO2 als wirksames Treibhausgas identifiziert und Experimente von John Tyndall verdeutlichten, dass auch Wasserdampf und Ozon eine Rolle im Treibhauseffekt spielen. Er schlussfolgerte, dass Schwankungen in der Zusammensetzung der Gase in der Atmosphäre die Klimaveränderungen in der Vergangenheit bedingt haben dürften.



Warum kann man der „Wissenschaft“ nicht trauen?


Jahrzehntelang wurde akademische Forschung zum klimatischen Veränderungen, vor allem in den USA, von Energiekonzernen finanziert und durchgeführt. Dadurch wurden die Folgen des CO2 Ausstoßes zunächst kleingeredet und neuentwickelte Technologien als Lösung etabliert, die wieder den Energiekonzernen zugutekommen. Elite-Unis wie Berkeley, Massachusetts Institute of Technology (MIT), Harvard und Stanford werden zu Forschungszentren für Klimawandel – gesponsert durch Energiekonzerne, die sowohl die Forschung und in weiterer Folge die öffentliche und politische Meinung beeinflussten. Das britische Energieunternehmen BP und der Autohersteller Ford finanzierten mit 20 Millionen Dollar ein Studienprogramm der Universität Princeton, kürzlich um eine lukrative Partnerschaft mit Exxon Mobile erweitert. Eine anerkannte Studie des MIT trug dazu bei, wissenschaftliche Bedenken hinsichtlich der Klimaschädlichkeit von Erdgas zu beschwichtigen und Erdgas als „grüne“ Alternative zu Kohle zu etablieren. Gründungssponsoren und Gönner diverser Forschungsprogramme an genannten Elite-Unis sind unter anderem Exxon Mobile, Toyota, General Electric, Chevron, Shell und das Chemieunternehmen Du Pont. Eine von Energiekonzernen gesponserte Forschung ist keine freie wissenschaftliche Forschung, sondern eine Forschung für und im Interesse des Kapitals. Wenn nun auch Gas und Atomenergie als „grün“ bezeichnet wird, sollte man aus diesem Beispiel lernen, denn Forschung im Klima- und Umweltschutzbereich ist für die Herrschenden nur dann lukrativ, wenn sie die „richtigen“ Ergebnisse liefert.


Energiekonzerne hegen kein Interesse an dem Schutz von Natur und Umwelt, ihr Interesse liegt in der Erhöhung der Profite, ihrer Stellung am internationalen Markt und der Erschließung neuer Möglichkeiten der Kapitalakkumulation. Mit diesem Beispiel von Exxon Mobile wird sehr anschaulich verdeutlicht, wie weit Kapitalisten gehen, um ihre Interessen durchzusetzen. Heute haben die Staaten und Herrschenden natürlich nicht ihre „Meinung“ geändert, weil sie sehr viel von Klimawandel und Maßnahmen gegen Klimawandel schwatzen. Der „Klimawandel“ wird da „akzeptiert“, wo es um eine neue Möglichkeit von Investitionen geht: die „grüne“ Technologie, Elektro-Autos, usw… Nicht ohne Grund sind die größten Hersteller von Elektroautos auch die großen Automobilkonzerne, die einen neuen Absatzmarkt suchen. Das Beispiel Exxon Mobile lehrt, dass „wissenschaftliche Erkenntnis“ nichts neutrales ist, sondern die Frage gestellt werden muss, wer forscht und zu welchem Zweck geforscht wird. Sich alleine auf die bürgerliche Wissenschaft zu konzentrieren und ihr blind zu vertrauen heißt sich den Interessen der Herrschenden unterzuordnen, denn was, wann und wie veröffentlicht wird ist kein Zufall, sondern Teil ihrer Politik.



(1) spektrum.de




Quellen: Pik-potsdam.de, Science.org, Focus.de, Faz.net, Dokumentcloud.org, Derstandard.at, Spiegel.de


Bildquelle: Smog, SD-Pictures, Pixabay


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