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Ukraine: Droht ein neuer Krieg?

Aktualisiert: 31. Jan. 2022

Jeden Tag, so scheint es wenn man in die Zeitung schaut, kann der Krieg in der Ukraine ausbrechen. Den Monopolmedien kann in dieser Frage nicht vertraut werden, denn sie berichten natürlich auch hier im Sinne ihrer Eigentümer und Geldgeber, der kapitalistischen Eliten. Tatsächlich ist die Lage in der Ukraine bestimmt vom Kampf der USA, der EU und Russlands um Einflussgebiete, ausgetragen auf dem Rücken des ukrainischen Volkes und der Bevölkerung der Ostukraine.


Beinahe täglich werden neue Nachrichten veröffentlicht, die von der ‚russischen Bedrohung‘ berichten. Das Hauptargument ist immer dasselbe: „in den letzten Wochen haben über 100.000 russische Truppen mit Panzern und Waffen sich in der Nähe der Ukraine versammelt und es ist schwer das nicht als Bedrohung zu sehen“ - so die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. US-Geheimdienste verbreiteten zwar kurzfristig die Information, dass diese Truppen bald um 75.000 Mann verstärkt werden sollen, nachdem sie dafür aber keinerlei belastbares Material präsentieren konnten, schreckten selbst viele Mainstreammedien davor zurück, diese Information einfach zu übernehmen. Wie sich herausstellte, handelte es sich um eine klassische „Ente“ (also eine falsche Story). Die „Bedrohung“ von der nichts desto trotz andauernd die Rede ist, sei eine russische Invasion der Ukraine, die angeblich kurz bevorstehe. Die Aufrüstung und Militärübungen des russischen Imperialismus sind sicherlich nicht im Interesse der Ausgebeuteten und Unterdrückten, das ist klar. Aber die Angst- und Panikmache der Monopolmedien hierzulande, läuft vor allem auf eines hinaus: die militärische Mobilisierung und „Unterstützung“ der ukrainischen Regierung durch den Westen. Hier ist Vorsicht geboten.


Es gab auch schon ähnliche Schreckensmeldungen über einen russischen Einmarsch in der Ukraine im April letzten Jahres, und davor 2017, und immer ist die Rede von 100.000 russischen Truppen. Einen ersten Ausblick darauf, wie ernst die westlichen Eliten solche Meldungen selbst nehmen, gibt eine Studie vom Juli 2021, die vom „U.S. European Command“ finanziert wurde. Die zentrale Aussage darin ist, dass Russland diesen Winter nicht in den Krieg ziehen würde. (1) Denn das simple Zahlenspiel sagt in Wahrheit noch wenig darüber aus, ob sich diese Truppen wirklich für eine Invasion bereit machen. Die Übungsplätze in Pogonovo und in Yelna, in denen die Soldaten heute stationiert sind befinden sich aber jeweils über 160 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Diese Entfernung macht einen Überraschungsangriff für so große Truppen, die außerdem von der ganzen Welt beobachtet werden, eigentlich unmöglich. Und dieser Eindruck verfestigt sich wenn man sich die Bewegung dieser Truppenteile (oder besser die fehlende Bewegung) genauer ansieht. So schreibt der durchaus nicht „russlandfreundlich“ eingestellte amerikanische Professor Gordon M. Hahn: „Es ist entscheidend zu erwähnen, dass die meisten der 92 – 120.000 Truppen an der ukrainischen Grenze, auf die sich der Westen bezieht, schon seit dem Maidan, der Annexion der Krim und der Revolte im Donbass 2014 dort waren. … Wenn die großzügige Schätzung von 120.000 korrekt ist, hieße das nur 15.000 mehr Truppen als andere Umstände zuvor in den WMD [Westliche Militärische Bezirk Russlands, der an die Ukraine grenzt, Anm.] gebracht hatten.“ (2) Insgesamt ist das also ein sehr fraglicher „Beweis“ für eine akute „Bedrohung“ durch eine Invasion. Zusammenfassend kann man sagen, dass es an der russischen Grenze zur Ukraine keine russischen Truppenbewegungen gibt die unmittelbar auf Krieg, oder eine kurz bevorstehende Intervention realistischerweise hindeuten würden. Auf russischer Seite ist die Situation truppentechnisch so wie vor drei Jahren, vor fünf Jahren, vor sechs Jahren...


Was wir hingegen sicher wissen ist dass letztes Jahr im Rahmen der NATO-Operation „Defender 2021“ 20.000 US-Truppen und 17.000 Truppen aus anderen NATO-Staaten durch ganz Europa direkt an die russische Grenze bewegt wurden, um den Krieg gegen Russland zu „üben“. Es ist einen Tatsache, dass die USA im November einen Atomwaffenangriff auf Russland simulierten, nur 20 Kilometer von der Grenze entfernt! Und in der Ukraine selbst wurden bereits im Herbst 120.000 (!) Truppen an die Ostgrenze zum Donbass konzentriert, die im Gegensatz zu den russischen Truppen extra zu diesem Zweck dorthin mobilisiert wurden. Dabei zählt die ukrainische Armee insgesamt „nur“ 246.000 Soldaten, die Truppenkonzentration betrug also beinahe die Hälfte der gesamten Mannstärke der ukrainischen Armee. Trotzdem zögerte der „Westen“ nicht, der Ukraine Waffen zu liefern (natürlich „gegen eine russische Invasion“). So lieferte Großbritannien rund 300 panzerbrechende Kurzstreckenraketen, Kanada führt sein militärisches Training nicht nur fort, sondern verkaufte auch Waffen, die Türkei lieferte Drohnen – bereits zuvor wurden türkische Drohnen gegen die Bevölkerung im Donbass eingesetzt – die baltischen Staaten hatten in vorauseilendem Gehorsam angefragt die panzerbrechenden high-tech „Javelin“-Raketen in die Ukraine verlegen zu dürfen, die der US-Imperialismus dort stationiert hatte, was dann auch passiert ist - die Liste ist lang. Und die USA haben bereits im Oktober 30 Javelin-Raketen geliefert. Die regelmäßigen Militärinvestitionen der USA in die Ukraine wurden im Dezember um 200 Millionen Dollar erhöht (doch bereits im August hatten sie diese um 60 Millionen Dollar erhöht.) Die Schreckensmeldungen von einer Invasion scheinen bis jetzt vor allem einem gedient zu haben, und das ist Waffenlieferungen zu legitimieren und damit einen Krieg vorzubereiten. Weitere Kriegsvorbereitungen werden dieser Entwicklung folgen und einen Krieg der Imperialisten um den Einfluss und die Kontrolle in der Ukraine näher rücken lassen, auch wenn er nicht gleich morgen in größerem Umfang wird. Eine Zunahme kleinerer Gefechte und einzelner Vorstöße, kann aber sehr rasch kommen.


Dabei ist beispielsweise ein Angriff auf die 2014 gegründeten und nach wie vor um Unabhängigkeit ringenden „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk im Osten (im Gebiet Donbass) durchaus möglich, denn sie sind tatsächliche Probleme für eine geplante NATO-Zukunft der Ukraine. Das wäre nicht nur eine Aggression gegen ein Volk das seine Unabhängigkeit seit acht Jahren Krieg gegen das faschistische Regime in Kiew verteidigt. Es wäre auch eine Provokation gegenüber dem russischen Imperialismus, der sich nach wie vor um einen gewissen Einfluss in Donezk und Lugansk bemüht (auch wenn beispielsweise im Donbassterritorium keine russische Truppen geduldet wurden). Der russische Imperialismus bereitet sich derzeit nicht nur auf einen Gegenangriff zur westlichen Einmischung und Aggression vor, sondern plant jetzt auch (und eben nicht vor einem halben Jahr) Truppen zu einer „Übung“ nach Belarus zu verlegen. Im Fall eines Angriffes von ukrainischen und NATO-Truppen auf Lugansk und Donezk, könnte der russische Imperialismus damit eine gewisse Legitimation für eine Gegeninvasion der „Volksrepubliken“ vorschieben.


Den Herrschenden helfen die „Ukraine-Krise“ und die damit einhergehenden Falschmeldungen bei der Kriegshetze. US-Präsident Joseph Biden sprach schon von der Möglichkeit eines „ausgewachsenen Krieges“ gegen Russland. Vor allem ist derzeit aber noch die Rede von wirtschaftlichen Maßnahmen, von Sanktionen gegen Russland, wobei es in dieser Frage innerhalb der kapitalistischen Eliten der EU umstritten ist, ob man auch die (noch nicht in Betrieb genommene) Gaspipeline „Nort-Stream-2“ in die Sanktionen mitnehmen sollte. Selbstverständlich haben diejenigen Kapitalisten, die dabei viel Profit zu verlieren haben auch am meisten dagegen, dass die Pipeline in Sanktionen mit aufgenommen werden könnte.


Politisch steht neben dem Donbass vor allem ein Projekt für den US-Imperialismus im Zentrum: Die Ukraine soll Teil der NATO werden. Wenn die Ukraine die „Einladung“ Mitglied der NATO zu werden annehmen würde, würde das „westliche“ Aggressionsbündnis (in dem der US-Imperialismus das Sagen hat) ein ganzes Stück näher an Russland heranrücken. Ziel ist dabei Russland politisch und militärisch einzukreisen. Im Rahmen ihrer Kriegspropaganda sprechen die Herrschenden aber nicht von Einkreisung, sondern von der „nationalen Souveränität“ der Ukraine. Der Beitritt zur NATO diene ihrem Schutz vor der berüchtigten „Invasion“. Die Monopolmedien betonen sehr stark, wie anti-russisch die Bevölkerung der Ukraine eingestellt sei. Die „Verwestlichung“ fände starke Zustimmung, was mit verschiedenen Studien „belegt“ wird. In Wahrheit scheint der „Westen“ sich dieser „freiwilligen“ Unterstützung aber doch nicht so sicher zu sein. Erst diesen Jänner wurde ein Bericht von „Yahoo! News“ veröffentlicht, der neue Beweise liefert das das CIA seit 2015 insgeheim das faschistische Asow-Battalion trainierte und mit Waffen ausstattete. Das geschah mit dem Ziel, das Asow-Battalion für den Krieg gegen Russland einzusetzen. (3) Ähnliche Motive standen hinter der Maidanbewegung und dem faschistischen Putsch 2014, der durch wesentliche Einflussnahme des US-Imperialismus und die europäischen Imperialisten vorbereitet, finanziert, mobilisiert und geführt war. Wozu bräuchte es diese faschistischen Kräfte wenn die ukrainische Bevölkerung aus freien Stücken für die „Verwestlichung“ und die NATO in den Krieg ziehen würde? Und was bedeutet der NATO-Beitritt für die Selbstbestimmung des Donbass? Der Ukrainische Präsident Selenski brachte es auf im August auf den Punkt: „Die NATO ist der einzige Weg den Krieg im Donbass zu beenden“. Und dennoch ist Selenski den Herren in EU und USA offenbar nicht kriegstreibend genug, weshalb sie seinen Vorgänger Poroschenko, der wegen Verstrickungen in zahlreiche Korruptionsfälle das Land verließ, zurückholen ließen und ihn nun wieder als möglichen neuen Präsidenten ins Spiel bringen. Poroschenko entwickelte in seiner Zeit als Präsident eine extrem russophobe Politik, ließ ethnische Säuberungen durchführen, unterdrückte die russische Sprache, baute Paramilitärs auf, usw. Doch der österreichische Präsident Van der Bellen empfing ihn einst als Ehrengast beim Opernball.


Nach offiziellen Zahlen forderte der Krieg in der Ukraine bereits 14.000 Tote (4) und über 30.000 Verletzte (5). Erst vor kurzem kündigte der ukrainische Verteidigungsminister an, dass die Ukraine gerade130.000 neuen Soldaten rekrutieren will (gegen die angebliche „Invasion“, versteht sich). Diese Militarisierung geht natürlich zulasten der ukrainischen Bevölkerung, die ärmer und ärmer wird während die Rüstungsausgaben im Dienste des „Westens“ steigen. Die „Verwestlichung“ hat in der Ukraine den Abbau von Arbeitsrechten, Massaker an Gewerkschaftern und Antifaschisten, den Ruin von Millionen von Kleinbauern, Faschismus und Militarisierung zur Folge gehabt. Vor diesem Kontext wird klar, wie zynisch es ist wenn die „westlichen“ Herrschenden ihre Kriegsvorbereitung und Hetze mit dem „Schutz der nationalen Souveränität“ der Ukraine zu legitimieren versuchen.





(1) Russia Goes to War: Exercises, Signaling, War Scares, and Military Confrontations,” Center for Strategic and International Studies,” 28 July 2021, www.csis.org/analysis/russia-goes-war-exercises-signaling-war-scares-and-military-confrontations

(2) https://www.defense.gov/News/News-Stories/Article/Article/2593494/defender-europe-21-exercises-multinational-interoperability-readiness-transpare/

(3) Das Asov-Battalion ist eine offen faschistische Miliz die zum Beispiel auch mit Hakenkreuzen auftritt und eine wichtige Stütze für den faschistischen Putsch 2014 war. Aus einem mehreren hundert Dollar schweren „Hilfs“Paket für die Ukraine, das der US-amerikanische Kongress 2015 auf den Weg brachte wurde auf Initiative des Pentagons sogar der Text, der die Bereitstellung von „Waffen, Training und andere Hilfeleistungen“ an das Asov-Battalion explizit ausschloss entfernt. Quelle: https://jacobinmag.com/2022/01/cia-neo-nazi-training-ukraine-russia-putin-biden-nato/

(4) https://apnews.com/article/ukraine-russia-europe-3f9f33dfafe0dbdef1beda466a514e5c

(5) https://www.rferl.org/a/death-toll-up-to-13-000-in-ukraine-conflict-says-un-rights-office/29791647.htm


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