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Serbien Kosovo Konflikt: Interview der Roten Fahne mit der Partija Rada


Von der Redaktion der Roten Fahne


Hier wollen wir ein Interview veröffentlichen, das von der Roten Fahne mit der „Partija Rada" (übers.: Partei der Arbeit) aus Ex-Jugoslawien geführt wurde. In dem Interview geht es um den sich in letzter Zeit verschärfenden Konflikt zwischen Serbien und Kosovo, der ein Ausdruck, der sich verschärfenden Widersprüche zwischen den Imperialisten und auch zwischen den Imperialisten und den unterdrückten Völkern und Nationen ist. Die Partija Rada legt ihre Positionen und Einschätzungen zur Frage des imperialistischen Einflusses und deren Interessen in der Region, ihrer Kompradorenregime und der Perspektive der antiimperialistischen und revolutionären Kräfte dar.


Die Partija Rada hat in den vergangenen Jahren mehrfach ihre entschlossene internationalistische und antiimperialistische Haltung bewiesen, sowohl in ihrer Arbeit in Ex-Jugoslawien, als auch gemeinsam mit anderen antiimperialistischen Kräften. Zum Beispiel riefen sie gemeinsam mit revolutionären und antiimperialistischen Organisationen aus Bulgarien, Österreich und der Türkei dazu auf, sich gegen die Europäische Union zusammenzuschließen, insbesondere gegen ihre antidemokratischen Wahlen und ihren völkerfeindlichen Charakter in Bezug auf die Covid-Pandemie. Auch die Verteidigung des peruanischen Kommunisten Dr. Abimael Guzmán, bekannt als Vorsitzender Gonzalo, der vom alten peruanischen Staat und der CIA ermordet wurde, war eine klare gemeinsame Position der antiimperialistischen und revolutionären Kräfte in der Region.


Im Hinblick auf die Diskussion und Debatte möchten wir als Redaktion der Roten Fahne anmerken, dass wir die Position, dass der Hauptwiderspruch in der Ukraine der zwischenimperialistische Widerspruch ist, nicht teilen. Den Hauptwiderspruch in der Ukraine schätzen wir als den Widerspruch zwischen Nation und Imperialismus ein, wobei der Widerspruch zwischen den Imperialisten auch gewichtige Rolle spielt. Die Aufgabe für eine unabhängige und souveräne Ukraine zu kämpfen, ist Teil des Kampfes aller unterdrückten und ausgebeuteten Massen im Weltmaßstab gegen den Imperialismus.


Wir danken der Partija Rada für die Möglichkeit, dieses Interview zu veröffentlichen und sehen es als Beitrag zur Orientierung und Diskussion der revolutionären und antiimperialistischen Kräfte.



Die Rote Fahne: Mit Ende des Jahres 2022 hat sich der Konflikt zwischen Serbien und Kosovo wieder zugespitzt, es gab Blockaden der Serben im Kosovo, und sowohl die NATO Einheiten der KFOR, als auch die serbische Armee wurden mobil gemacht. Um was geht es hier bei diesem Konflikt?


Partija Rada: Die Partei der Arbeit ist der Meinung, dass die andauernden Spannungen, die im Kosovo periodisch ausbrechen, als Ausdruck der reaktionärsten und größenwahnsinnigsten Ideen der Kompradorenregime auf dem Balkan, Ausdruck und integraler Bestandteil eines umfassenderen zwischenimperialistischen Konflikts sind. Insbesondere der Konflikt zwischen dem amerikanischen Imperialismus auf der einen und dem russischen Imperialismus auf der anderen Seite kann nicht losgelöst vom aktuellen zwischenimperialistischen Krieg in der Ukraine betrachtet werden. Die bestehenden Spannungen haben nicht nur einen internen Nutzen für die Regime in Belgrad und Pristina, um die Massen unterwürfig zu halten, sondern können auch nicht zu neuen Konflikten im Kosovo führen, aus dem einfachen Grund, dass sie nicht die Kraft dazu haben, keinen offenen Konflikt wollen und derzeit auch nicht die Unterstützung der größten Imperialisten dafür haben, solange diese nicht beschließen oder gezwungen sind, die so genannte Balkanfront zu eröffnen. Die Frage des Kosovo steht nicht so sehr auf der Tagesordnung, sondern die Frage Serbiens. Der Kosovo kann einer der Ausgangspunkte auf dem Balkan sein, wenn der zwischenimperialistische Konflikt weiter ausgeweitet wird. Ob der Krieg von der Ukraine aus auf den Balkan selbst übergreifen wird, hängt von den Ergebnissen des zwischenimperialistischen Konflikts an der Hauptfront ab. Die Kompradorenregime Serbiens und des Kosovo spielen in ihrer Unterwürfigkeit und Ohnmacht die tragikomische Rolle von gewöhnlichen Spielfiguren in diesem breiteren Konflikt.


Die Rote Fahne: Vor einigen Jahren wurden die sogenannten „Non-papers“ veröffentlicht, wo es um eine Neuaufteilung des Balkans geht. Nun hört man, dass sich Serbien „zwischen Russland und dem Westen entscheiden“ müsse. Welche Rolle spielen die Imperialisten, welche Ziele verfolgen sie in der Region?


Partija Rada: Die verschiedenen Imperialisten haben unterschiedliche Interessen, und ihre Bündnisse sind nur vorübergehender Natur. Was sie aber alle eint, ist die Tatsache, dass sich die Widersprüche zwischen ihnen verschärfen und sowohl geheime als auch öffentliche diplomatische Mittel immer weniger in der Lage sind, sie zu lösen. Die Massen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien haben ihre Lektion aus den jahrzehntelangen Kriegen gelernt und wollen keine neuen Konflikte, und die nationalistische Rhetorik des Regimes kann nicht zu einem Wiederaufleben des militanten Nationalismus und des früheren chauvinistischen Hasses zwischen den Völkern führen. Serbien wird jedoch gezwungen „zwischen Russland und dem Westen zu wählen", und diese Meinung wird nicht nur in der Bourgeoisie selbst vorherrschend, sondern drängt sich auch den Massen auf, nicht nur in Serbien, sondern auch in Montenegro, Bosnien und Herzegowina und sogar in Kroatien. Und das ist der Hauptpunkt - ob man nun für Russland oder den Westen ist, in der kommenden Periode wird es all diese täglichen politischen Spannungen von nationalistischen Positionen verdrängen. Gleichzeitig kann diese Spaltung zu neuen Spannungen, politischer Instabilität und sogar zu Konflikten führen, wenn ein externer Faktor aggressiver eingreift. Der amerikanische Imperialismus und der gesamte Westen haben es eilig, Russland und seinen Einfluss auf dem Balkan vollständig zurückzudrängen, sowie den wirtschaftlichen Einfluss Chinas auf dem Balkan zu begrenzen. Bis dahin kämpft der russische Imperialismus über Serbien verzweifelt darum, nicht unterdrückt zu werden, und wird versuchen, seine Interessen in Serbien zu konsolidieren, auch um den Preis der Destabilisierung Serbiens und darüber hinaus, insbesondere wenn der Konflikt an der Hauptfront eskaliert.


Die Rote Fahne: Warum will Serbien den Kosovo nicht anerkennen? Was ist eure Haltung dazu?


Partija Rada: „Großserbien" war schon immer ein Ziel der serbischen Bourgeoisie, abgesehen davon, dass es ein Spielball im imperialistischen Konflikt ist. Dieses Bestreben ist im Kern reaktionär und in seiner Form größenwahnsinnig unrealistisch. Derzeit sprechen verschiedene Fraktionen der serbischen Bourgeoisie von der Schaffung einer "serbischen Welt" auf dem Balkan. Sie sind bereit, sich jedem Imperialisten zu unterwerfen, der ihnen bei der Verwirklichung dieses Ziels helfen kann. Nach den Balkankriegen von 1912 wurde der größte Teil des Kosovo vom Osmanischen Reich an das Königreich Serbien abgetreten, und Metohija wurde vom Königreich Montenegro übernommen. Kurze Zeit später, im Ergebnis des Londoner Vertrags von 1913, wurde ein unabhängiges Albanien anerkannt, doch eine große Zahl von Albanern blieb in den Nachbarländern wie Montenegro und Serbien. Belgrad nahm gegenüber der albanischen Bevölkerung im Kosovo eine koloniale Haltung ein, führte ethnische Säuberungen durch und vertrieb die albanische Bevölkerung systematisch. Diese nationale Unterdrückung kam kurzzeitig zum Stillstand, als die albanische Bevölkerung im Kosovo Schulter an Schulter mit den jugoslawischen und anderen antifaschistischen Kräften gegen den Faschismus kämpfte, in der Überzeugung, dass sie auf demokratischer Grundlage selbst entscheiden dürfe, ob sie mit Albanien vereinigt werde oder ein autonomer Teil Jugoslawiens bleibe. Doch dazu kam es nicht, da die größenwahnsinnigen Ambitionen der jugoslawischen Revisionisten eine nationalistische und chauvinistische Haltung gegenüber der Bevölkerung des Kosovo zur Folge hatten. Das albanische Volk im Kosovo hat sich zwar erfolgreich vom serbischen Regime befreit, doch das Ergebnis ist lediglich ein Wechsel der Herren. Nachdem die Bewegung für ein freies und unabhängiges Kosovo die ideologische Plattform, auf der sie gegründet wurde, verworfen hat, ist sie nur noch ein Werkzeug des amerikanischen Imperialismus in der Region. Auch das derzeitige Kompradorenregime im Kosovo folgt diesem Weg. Seit ihrer Gründung hat die Partei der Arbeit den gerechten Kampf des albanischen Volkes für Unabhängigkeit und Selbstbestimmung unterstützt. Und daran hat sich nichts geändert. Wir können nur darüber diskutieren, auf wessen Seite sich die Massen im Kosovo und in Serbien bei der Eskalation der zwischenimperialistischen Konflikte stellen werden - ob sie unter ein NATO-Banner oder gegeneinander gezwungen werden.


Die Rote Fahne: Der Kosovo kann als eine Kolonie der „westlichen“ Imperialisten charakterisiert werden. 3.500 Soldaten der KFOR-“Friedensmission“ sind im Land stationiert. Was ist die Perspektive für das Volk im Kosovo, was ist die Position der antiimperialistischen und revolutionären Kräfte?


Partija Rada: Die Präsenz der NATO-Truppen im Kosovo und darüber hinaus auf dem Balkan, unabhängig davon, welchen Namen sie offiziell tragen, nimmt von Tag zu Tag zu. Überall auf dem Balkan werden neue Nato-Stützpunkte eröffnet und neue Stützpunkte als militärische Befestigungen gebaut. Die Zahl der Soldaten steigt, der Nachschub an Waffen nimmt zu, und es findet eine weitere Militarisierung der Balkanstaaten statt. Dies dient natürlich der Besetzung der Balkanstaaten, dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Imperialismus, der Plünderung der Ressourcen und der Kontrolle der Handels- und Energierouten. Aber im Grunde befürchten die amerikanischen und europäischen Imperialisten, dass sich der Krieg durch eine Eskalation des Konflikts auf dem Gebiet Jugoslawiens weiter ausbreiten und ihre strategischen Interessen im Mittelmeerraum selbst bedrohen könnte, insbesondere im Falle eines Konflikts zwischen Griechenland und der Türkei usw. Die Kosovo-Frage ist jedoch nicht nur für die Menschen die dort leben von großer Bedeutung, sondern auch für die unterdrückten Menschen auf dem gesamten Balkan. Die revolutionären Kräfte auf dem Balkan sind der Meinung, dass es eine historische Notwendigkeit ist, dass die fortschrittlichen Teile der albanischen Bewegung im Kosovo starke Verbindungen nicht nur mit den fortschrittlichen Menschen in Serbien und den Serben im Kosovo, sondern auch mit der gesamten Balkanregion aufbauen, um den Imperialismus und seine Lakaien zu besiegen. Für die Menschen im Kosovo bedeutet dies, dass sich der Kampf gegen die reaktionäre Politik Belgrads zu einem Kampf gegen die Präsenz der Imperialisten auf dem Balkan und gegen die Kompradoren-Kapitalisten im Kosovo und in Albanien weiterentwickeln muss.

Derzeit sind die revolutionären Kräfte in der Region klein und ohne persönlichen Einfluss auf die Massen. Aber damit das revolutionäre Subjekt in den Balkanländern in der Lage ist, die historische Rolle der Befreiung der Balkanländer zu spielen, muss es kämpfen, um seine Schwächen zu überwinden, vor allem, um aus seiner strategischen Defensive und opportunistischen Positionen herauszukommen, mit einer klaren ideologischen Linie, die auch dort präsent ist, was wir die revolutionäre Bewegung in Europa nennen.



Bildquelle: Location of Kosovo and Serbia, Tukish Flame, Wikimedia (CC BY-SA 3.0)

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