Die Positionierung der KPÖ zu den neueren Ereignissen in Israel/Palästina war Anlass für zahlreiche, aus der Partei auszutreten, oder ihre Kritik an der Parteiführung zu verstärken. Nach Außen bemüht sich die KPÖ um Einheit, im Inneren rumort und kracht es. Für einen besseren Einblick in diese Vorgänge führten Journalisten der Roten Fahne Gespräche mit (ex-)KPÖlern.
Im November letzten Jahres fand das erste Mal seit rund 20 Jahren eine gemeinsame Konferenz der Bundes-KPÖ mit der KPÖ Steiermark statt. Das Ziel dieser „Wiedervereinigung“: „die KPÖ 2024 ins Parlament zu führen“. Damit sind jedoch viele der Parteimitglieder nicht einverstanden. Die letzten Wahlerfolge der KPÖ, als auch die stärker werdenden Meinungsumfragen, gehen Hand in Hand mit der Tendenz, sich immer weiter in der Beliebigkeit aufzulösen…
Ist die KPÖ noch kommunistisch? Selbst zahlreiche Parteimitglieder würden diese Frage mit ‚Nein“ beantworten. Gemessen am „Sozialbericht“ Ende Dezember 2023, der in den bürgerlichen Medien weitaus präsenter war als die oben genannte Konferenz, ist die Messlatte für KPÖ-Funktionäre eher die „sozialarbeiterische Ader“ als kommunistische Prinzipien. (1) Dass es genau jetzt verstärkt innerhalb der Partei kracht, ist kein Zufall. Während sich die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in den letzten Jahren immer weiter verschärft haben, versuchte die KPÖ nicht allzusehr beim Kurs der Herrschenden „anzuecken“. Sei es bei den antidemokratischen Corona-Maßnamen, in der Frage des Ukraine-Kriegs, oder nun mit dem Völkermord in Palästina: anstatt konsequent antiimperialistische, demokratische oder revolutionäre Positionen zu verteidigen, glänzte die Partei durch Anpasslerei und nahm zunehmend „links“-liberale und bürgerliche Positionen ein. Während sich die Funktionäre auf dieser Grundlage wiedervereinen und den Wahlkampf vorbereiten, äußern sich an der Basis zunehmend Widersprüche. Wir haben uns mit ehemaligen und aktiven Mitgliedern der KJÖ und KPÖ-Steiermark unterhalten und veröffentlichen vorliegend den ersten von zwei Teilen „Im Gespräch mit (ex-)KPÖlern“. Der zweite Teil folgt am 21. Jänner.
Die Positionierung der KPÖ in Fragen des Israel-Palästina Konfliktes brachte für einige Mitglieder das Fass zum Überlaufen und es kam sogar zu Austritten. „Ich möchte unterscheiden zwischen Anlass und Gründen“, erklärte ein langjähriges Mitglied seinen Austritt: „Der Anlass war die Stellungnahme zu Palästina, in der man im Wesentlichen gesagt hat‚ beide Seiten sollen doch bitte aufhören Gewalt auszuüben‘ und eine anti-imperialistische Position ganz klar verlassen hat. Die Stellungnahme der Partei hat begonnen wie alle anderen Stellungnahmen in den bürgerlichen Medien, nämlich mit einer Verurteilung der Hamas usw. Es ist zwar auch enthalten, dass man die Unterdrückung Palästinas verurteile, aber es sollen quasi beide zu Sinnen kommen. Dann gäbe es ‚wieder‘ Frieden, was auch immer das sein soll.“ Weit über den Kreis jener hinaus, die sich durch diese Frage zum Austritt entschlossen haben, wurde das Thema Anlass die Kritik gegenüber der Partei offener zu formulieren.
Keine Perspektive
Die Gründe für einen Austritt, wie auch die Gründe um die eigene Partei scharf zu kritisieren, reichen tiefer und liegen teilweise länger zurück: „Der Grund war, dass ich generell keine Perspektive mehr gesehen habe, bzw. dass ich nicht denke, dass diese Partei noch veränderbar ist. Das hat sich in den letzten Jahren seit dem Wahlsieg in Graz ganz stark gezeigt.“ Bei jeder möglichen Positionierung, so ein weiteres Mitglied, löste man sich immer weiter in der Beliebigkeit auf. Einige Mitglieder sehen den Wahlerfolg, den Einzug in die Stadtregierung, nicht ganz so positiv wie es durch die Parteiführung dargestellt wird: „In der Stadtregierung hat man im Wesentlichen das weiter getragen, was unter einer ÖVP-Regierung begonnen wurde. Kanalgebühren sind ein gutes Beispiel dafür. Es war jahrzehntelang eine Forderung der KPÖ die Kanalgebühren nicht zu erhöhen. Was ist dieses Jahr passiert? Die KPÖ hat die Kanalgebühren erhöht. Argument dafür war: Es geht halt nicht anders.“
Ein anderes Mitglied ärgert sich: „Nichts anderes hat eine ÖVP gesagt, als sie die Gebühren angehoben haben. Wozu braucht es da, selbst für solche kleinen Fragen der Verwaltung, eine KPÖ? Wenn man schon die Meinung hat, man müsse in einem bürgerlichen Stadtparlament agieren, wäre das doch ein Punkt, wo man in den Widerstand gehen müsste – mit der Bevölkerung, gegen die Herrschenden. Aber da versucht man eigentlich immer nur, Widersprüche so gut es geht auszubügeln… Die Begründung dafür ist: jetzt kann man noch nichts machen, weil jetzt sollten wir der Bevölkerung einfach nur mal zeigen, auch eine KPÖ kann regieren. Das sei eine wichtige ‚Message‘. Der langfristige Plan sei die Erringung einer kulturellen Hegemonie, wie auch immer das durch so eine Positionierung funktionieren soll. Aber dem wird alles untergeordnet und darum positioniert man sich in anderen Sachen relativ inhaltslos oder vertritt offen die Meinung der Herrschenden.“
„Diese Leute sind keine Kommunisten“
Mit der „Wiedervereinigung“ der KPÖ auf Bundesebene sind die Mitglieder auch ganz und gar nicht geschlossen einverstanden:
„Seit 2003 oder 2004 war die KPÖ Steiermark losgelöst vom Rest des Landes, jetzt gehen diese Seiten wieder aufeinander zu. Es gab eine Parteikonferenz, was dazu führt, dass sich jetzt vereinigt wird mit Leuten wie einem Michael Dankl aus Salzburg, der offen sagt er hält nichts von Kuba, sein ‚lieblings-sozialistisches Projekt‘ sei die Pariser Kommune. Ich bin auch gar nicht sicher, ob er nicht ohnehin selbst sagte, dass er eigentlich gar kein Marxist ist und das rechtfertigt er damit, dass ja Marx auch gesagt haben soll er sei kein Marxist. Auch so Leute wie Tobias Schweiger, der jetzt Spitzenkandidat der Nationalratswahl werden soll. Diese Leute sind keine Kommunisten, sind auch nie welche gewesen.“
Einmal mehr betont einer unserer Gesprächspartner: „Dieser Schritt, bzw. diese Entwicklungen insgesamt waren so viel, dass ich mir gedacht habe, die KPÖ ist jetzt nicht mehr zu retten.“
Keine Sitzungen, keine Schulungen
Verärgert zeigt sich ein junger KJÖler über den Umgang mit Kritik und Forderungen: „Es gab auch innerhalb der KPÖ Steiermark in den letzten Jahren immer wieder Bestrebungen die KPÖ auf Kurs zu bringen. Zum Beispiel wäre eine wesentliche Forderungen von Leuten in der KJÖ gewesen, dass es Mitgliedertreffen gibt, also ganz normale Sitzungen wie sie jede kommunistische Partei für ihre Mitglieder hat. Das wurde abgelehnt. Dass es mehr Schulungen gibt bzw. Antirevisionismus irgendwie gelebt wird, waren auch Forderungen. Das wurde zwar nicht offen abgelehnt, aber auch nicht forciert bzw. verfolgt die KPÖ immer die Einstellung: ‚Wenn dir irgendetwas nicht passt in der KPÖ, dann mach das doch selbst‘. Aber es gibt keine Eigenbestrebung der Partei. Und das ist ein katastrophales Zeichen.“
Wieder hören wir: „Dass sich jetzt jahrelang nichts verbessert hat und es nicht den Anschein macht, als würde sich etwas verbessern, das war der Grund warum ich sagte, ich sehe keine Zukunft in dieser Partei.“
Die Ausrichtung ist klar...
Offenbar gab es grobe Widersprüche... und wie wurde damit umgegangen? „Ein gutes Beispiel ist hier der letzte Parteitag, der 2021 abgehalten wurde. Interessant war schon, dass der Parteitag mehrere Male verschoben wurde, anfangs wegen Covid, dann nochmals wegen dem Wahlkampf – der Priorität hatte, weshalb man keinen Parteitag abhalten konnte…“ Ein Aktivist beginnt zu lachen… „weil die Ausrichtung ja angeblich ‚schon klar‘ war, wenn man Kommunist ist, sei das ja logisch. So wurde wirklich argumentiert!“
Elke Kahr sortiert unangenehme Anträge aus
„Der Parteitag selbst zeigte sehr gut, wie man mit Widersprüchen umgeht. Und zwar hat es mehrere Anträge gegeben, die als kontrovers angesehen waren. Diese hat man erst gar nicht besprochen, sondern darüber abgestimmt, ob diese direkt an ein spezielles Gremium - ich glaube es war der Landesvorstand, das Führungsgremium jedenfalls – übergeben werden. Das ist auch bei allen diesen Anträgen so passiert. Also bei allen die dafür ausgewählt wurden. Im Nachhinein hat man erfahren, dass Elke Kahr das angeordnet hat, mit der Begründung, sie möchte nicht, dass sich die Leute streiten. Das zeigt denke ich bestens wie mit Kritik und Widersprüchen umgegangen wird.“
Kritik, eine individuelle Sache
„Generell: wenn man Kritik äußert in der Partei, soll man das möglichst an Einzelpersonen richten. Und so quasi im klärenden Gespräch zu zweit dann eine Lösung finden. Diese Lösung sieht dann eigentlich immer so aus, dass einem eine sehr lange Zeit zugeredet wird, warum eigentlich alles perfekt passt so wie es ist. Und bei Dingen, wo es schwer ist sie abzustreiten, wird gesagt: ‚Ja, wir versuchen das und es ist schon im Plan...‘. Aber es passiert dann einfach nie.“
Kein Gremium für einfache Mitglieder
„Wir sollten generell noch etwas dazu sagen, wie Meinungsbildung passiert“, fahren die Aktivisten fort. „De facto entsteht sie nur in Funktionärsgruppen und vielleicht in Gesprächen bei einem Bier. Aber es gibt kein Gremium oder eine Möglichkeit wo tatsächlich die Parteimitglieder Entscheidungen herbeiführen können. Wenn es Diskussionsveranstaltungen gibt, dann läuft das meistens so, dass eine externe Person eingeladen wird, natürlich in der Regel kein Kommunist oder Kommunistin, sondern Vertreter der bürgerlichen Wissenschaft, oftmals nicht einmal der Wissenschaft. Womit offen bürgerliche Propaganda in die Partei getragen wird. Das wird unkritisiert so stehen gelassen. Man kann sich zu Wort melden, was aber nicht sehr viel Sinn hat. Diese Veranstaltungen sind nicht dazu gedacht einen Output zu erzielen. Es geht darum sagen zu können: ‚es ist so schön, dass wir darüber reden konnten‘. Was tatsächlich gemacht wird, beschließt eine anderer Gruppe - es ist komplett zahnlos!“
Einzelne Personen werden unter Druck gesetzt
Im Zuge der ersten Pro-Palästina-Demonstration in Graz im November äußerten Mitglieder auch die Kritik, dass es in der KPÖ antidemokratisch laufe und dass hinter dem Rücken der eigenen Mitglieder geschimpft und Stimmung gemacht wird. Inhaltliche Diskussionen würden auf Personen zentriert und damit abgewürgt werden. Das wird bestätigt: „Dass einzelne Personen unter Druck gesetzt werden ist schon länger so, was natürlich auch erst mit der Kritik an der Partei begonnen hat. Kritik wird versucht klein zu halten. Wie am Parteitag wo man sagte, im Sinne der Harmonie solle man jetzt nicht streiten. Wenn schon, dann soll man das in einer kleinen Gruppe machen.“
„Eigentlich läuft alles antidemokratisch“, leitet eine Aktivistin ein, „es hat sich eine inoffizielle Führungsgruppe gebildet, die in Wahrheit sehr viel bestimmt, aber die nicht gewählt ist. Der zentrale Punkt ist, dass es keine Möglichkeit gibt eine gemeinsame Entscheidung der Mitglieder herbei zu führen. Es gibt keine Mitgliederversammlungen oder Sitzungen. Es gibt Mitgliederabende wo man im lockeren Rahmen spricht, aber da kommt nichts raus. Wie soll da eine demokratische Entscheidung herbei geführt werden. Gleichzeit gibt man den Mitgenlidern gar nicht die Mittel um überhaupt eine sinnvolle Position beziehen zu können, dadurch das keine Schulungen forciert werden.“ Auch die Aufnahme in die Partei spiele dabei eine Rolle: „Bei manchen ist das anscheinend ein Gespräch auf wenige Minuten. Ein Genosse, der zuvor schon bei einer anderen Organisation aktiv war, wollte Mitglied der KPÖ-Steiermark werden und stellte sich auf einen langen und schwierigen Prozess ein, tatsächlich sprach er eine Viertelstunde lang mit Elke Kahr in ihrem Büro und sie begrüßte ihn als Parteimitglied. Er berichtete, dass er sich schon ein bisschen wunderte, was da los ist in dieser Partei.“
„Was ich antidemokratisch finde“, setzt eine KJÖlerin ein „ist das Einwirken auf die Jugendorganisation. Das funktioniert im Wesentlichen über zwei Wege. Das eine ist, dass man den Leuten einen Job anbietet bei der Partei. Dadurch, dass sie die ganze Zeit im Parteiumfeld sind, ändern sich die Leute. Das merkt man. Da muss man gar nicht offensiv auf sie einwirken, das passiert einfach. Ich denke das passiert auch ohne Plan oder böse Absicht, sondern relativ organisch in dieser Weise. Aber es ist dennoch ein großes Problem. Was schon Absicht ist: Man sucht sich nicht die unbequemen Leute raus, eher jene die noch formbar sind. Das ist oft so, wenn jemand neu bei der KJÖ ist, der charismatisch, doch inhaltlich nicht gebildet ist, dann ist das in der Regel ein guter Kandidat für eine Parteifunktion. Zusätzlich gib es einen starken Gruppenzwang: Kein Mensch ist gerne in der Situation wo er Ablehnung von Vielen erfährt. So etwas passiert einem aber in der KJÖ wenn man in Konflikt mit der Partei tritt.“
Teil 2 der Artikelreihe „Im Gespräch mit (ex-)KPÖlern“ folgt am 21. Jänner. Es werden weitere brisante Themen aus und rund um die KPÖ behandelt, die Antworten auf Fragen liefern, die sich bestimmt viele schon gestellt haben: Wie werden die Spitzenkandidaten für Wahlkämpfe ausgewählt, wie halten es die KPÖ-Spitzen selbst mit dem Kommunismus, oder möchte man lieber eine „neue“ Sozialdemokratie sein? Im Teil 2 sprechen die (ex-)KPÖler über den Druck der auf Mitglieder ausgeübt wird, über Wahlergebnisse als „heilige Kuh“ und warum es wichtiger sei wo Parkbänke stehen, als sich theoretische Grundlagen anzueignen...
(1) steiermark.orf.at: „KPÖ spendete heuer rund 270.000 Euro“
Bildquelle: Einweihung Advent in Graz 2023. Von links nach rechts: Michael Ehmann (SPÖ), Elke Kahr (KPÖ), Judith Schwendtner (Grüne), Günter Riegler (ÖVP), Armin Ademovic - wikimedia
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