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Südtirol/Tirol: Das perfide politische Spiel um den Fall Orian löst Hungerstreik aus



Seit mehr als zehn Jahren bemüht sich die 1919 als Österreicherin in Kurtasch (Südtirol) geborene Hermine Aloisia Orian um die Wiederverleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Inzwischen steht die letzte noch lebende Katakomben‑Lehrerin im 105. Lebensjahr und wünscht sich vor allem eines: sie möchte als - auch offiziell anerkannte - Österreicherin sterben (Die Rote Fahne berichtete: LINK ) Doch während man sich die Umsetzung dieses Anliegens eigentlich nicht so kompliziert vorstellt, wartet Hermine Orian seit Jahren vergebens auf die Erfüllung ihres Wunsches.



Unterstützung für ihr Anliegen fand sie unter anderem bei Mag. Alois Wechselberger, Obmann des Andreas Hofer-Bundes Tirol (AHBT). Da der Fall Orian von den österreichischen Behörden und in faulem Spiel von Innenminister Karner und Bundeskanzler Nehammer (beiden ist das Anliegen von Hermine Orian bekannt) noch immer nicht behandelt wurde, trat Wechselberger am 10. Juni 2023 in Hungerstreik. Der AHBT gab den Hungerstreik seines Obmanns in einer Presseaussendung an die Austria Presse Agentur (APA) und andere Medien bekannt. Berichtet wurde darüber jedoch in keinem größeren Medium, was ein weiteres mal zeigt, auf wessen Seite die Monopolmedien stehen.



Aussitzen trotz Hungerstreiks?


Dem stark geschwächten Alois Wechselberger müssen bereits Infusionen verabreicht werden, dennoch gilt seine Sorge weiterhin der Gefahr, dass Frau Orian die „Wiederverleihung“ der österreichischen Staatsbürgerschaft durch gezielte politische Vereitelung nicht mehr erleben wird. Die Entscheidung freiwillig in den Hungerstreik zu treten, begründet Wechselberger damit, dass trotz der Zusage des Wiener Innenministeriums, den Fall Orian bis Ende Juni dem Ministerrat vorzulegen, bis dato nichts passiert ist und es bis zur Sommerpause nur noch zwei Ministerratssitzungen geben wird. Das Innenministerium versucht also offensichtlich den „Fall“ Orian feige auszusitzen. Laut Weichselberger sei es, angesichts des Umgangs der Bundesregierung mit den Südtirolern im Allgemeinen und mit Frau Orian im Besonderen, dringend geboten mit einem Hungerstreik darauf Aufmerksam zu machen.



Widerstand gegen den Faschismus.


Südtirol wurde 1918, zu einem Zeitpunkt als der Erste Weltkrieg bereits beendet war, durch Italien besetzt. Nachdem die „westlichen“ imperialistischen Mächte dem ebenfalls imperialistischen Italien Südtirol als Belohnung für seinen „Seitenwechsel“ im Weltkrieg überließen, setzte das faschistische Italien Mussolinis eine brutale Italianisierungspolitik um. Das österreichische Deutsch wurde verboten, ebenso viele Brauchtümer und Traditionen. Zahlreiche Todesopfer waren die Folge bewaffneter Gewalt italienischer Behörden gegen Südtiroler, es gab vielfache Landenteignungen und Vertreibungen, topographische und familiäre Namen wurden Zwangsitalianisiert. Hermine Orian stellte sich diesen Entwicklungen entgegen, indem sie bereits als 13-jährige damit begann, kleineren Kindern heimlich Deutschunterricht zu erteilen, damit diese ihre Muttersprache nicht verlieren. Dafür riskierte sie schwere Strafen durch die Behörden. Lehrerinnen wie Hermine Orian wurden „Katakombenlehrerinnen“ genannt und waren ein wichtiger Teil des kulturellen Widerstands gegen die Aggression. Sie hatten großen Anteil daran, dass Sprache und Kultur in Südtirol den Faschismus überlebten. Der organisierte Widerstand war das Werk der Bevölkerung selbst, ein Widerstand, den sie aus eigener Kraft organisierte. Denn von den zuerst bürgerlich-demokratischen und dann auch faschistischen Regierungen Österreichs und Deutschlands wurden die Massen Südtirols nur hingehalten und verkauft.



Südtirol und die Arbeiterbewegung


In den 1930er Jahren sah die österreichische austrofaschistische Regierung in Mussolinis Italien einen Verbündeten und in vielen Aspekten auch ein Vorbild (bspw. für die Konzeption des „Ständestaates“), weshalb eine Kritik der italienischen Südtirolpolitik weitestgehend unterbunden wurde. Die Nazifaschisten wiederum bemühten sich zuerst demagogisch um Einfluss in Südtirol, nur um die Massen spätestens im Rahmen der sogenannten „Option“ (einem Pakt zwischen Hitler und Mussolini 1938/1939) vollständig der Italianisierung preiszugeben und dem Regime Mussolinis einen „Freibrief“ auszustellen. Gegen diese Politik der italienischen, deutschen und österreichischen Faschisten, wurden die Anliegen der Bevölkerung Südtirols in den frühen 1930er Jahren gerade von der Arbeiterbewegung stark vertreten, wie es schon einige wenige Beispiele zeigen: Der österreichische sozialdemokratische „Kuckuck“ brachte einen Aufmacher zur „Südtirolfrage“, die Kommunistische Partei Italiens formulierte (auf Basis des 6. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale) das erste Programm zum Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler, die Kommunistische Partei Österreichs veranstaltete Demonstrationen zur Unterstützung der Südtiroler Bevölkerung und verschiedene sozialdemokratische Verlage in Österreich druckten mehrere antifaschistische Broschüren zum Thema. Erst in den späten 1950er Jahren begannen diese Parteien von der Südtirolfrage allmählich abzurücken.



Eine Beleidigung demokratischer Anliegen.


Wenn also die FPÖ versucht sich auf das Thema Südtirol „draufzusetzen“, ihre Funktionärinnen und Funktionäre sich als „Freunde Südtirols“ präsentieren und vielleicht sogar noch auf die Idee kommen, den Fall Hermine Orian für sich auszunutzen, dann können Verlogenheit und Falschheit größer nicht sein. Frau Hermine Orians Wunsch ist gerechtfertigt, vollkommen nachvollziehbar und unterstützenswert, ebenso wie der entschlossene Kampf, in den sich Alois Wechselberger mit seinem Hungerstreik begeben hat. Hermine Orians Anliegen ist ein gerechtfertigtes, demokratisches Anliegen - vom Handeln der Bundesregierung und der großen Medien, die offensichtlich jede umfassende Berichterstattung darüber verweigern, könnte man das selbst beim besten Willen nicht behaupten. Denn während sich Kanzler Nehammer mit der „postfaschistischen“ italienischen Ministerpräsidentin Melloni in der Wachau beim Luxus-Heurigen trifft, beleidigen alle großen Parteien, die Bundesregierung und die Monopolmedien mit ihrer antidemokratischen Ignoranz die Anliegen von Frau Orian und damit die Interessen eines Großteils der Südtirolerinnen und Südtiroler.





Quelle: AHBT


Bildquelle: AHBT mit freundlicher Genehmigung



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