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Salzburg-Wahl als Spiegelbild von Veränderung und Umbruch.



Die Wahlergebnisse der Salzburger Landtagswahl wurden als „Erdrutsch“ und „Sensation“ präsentiert. Das angesichts der sich verschlechternden Lage für die Bevölkerung auch eine dementsprechende Antwort im Rahmen der Landtagswahl ausfällt, ist allerdings nicht verwunderlich. Dass Teuerungen, Kriegshetze, Demokratie- und Sozialabbau auch andere Wahlergebnisse mit sich bringen zeigt nur, dass die Massen nicht „dumm“ sind, sondern sehr wohl verstehen, dass die politischen und Machtverhältnisse verantwortlich für diese Verschlechterungen sind.


Wie auch in den vorherigen Landtagswahlen in Niederösterreich und Kärnten, haben auch in Salzburg vor allem ÖVP, SPÖ und Grüne massive oder zumindest merkbare Verluste erlebt. Während am Wahlabend diverse ehemalige Größen der Parlamentsparteien in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ darüber sinnierten, ob nun eine falsche Themensetzung, Streitigkeiten in der SPÖ, oder „diverse Krisen“ an dem für sie schlechten Ergebnis schuld seien, zeigen die letzten Jahrzehnte, dass es viel mehr mit einer Unzufriedenheit über die politischen Verhältnisse im Allgemeinen zu tun hat. So hat sich die ÖVP von knapp unter 60 Prozent in den 50er Jahren zu einem Tiefstand von knapp 30 Prozent im Jahr 2023 entwickelt. Die SPÖ, sonst lange eine Partei rund um die 40 Prozent im Bundesland, hat ihr bisheriges schlechtestes Wahlergebnis unterboten und liegt nun bei 18 Prozent. Dass es an einer „falschen Schwerpunktsetzung“ liegen würde, können die Vertreter dieser Parteien ja nicht einmal selbst glauben. Tatsache ist, dass die bestimmenden Anliegen für jene die Wählen gegangen sind Inflation und steigende Preise, Wohnkosten, Gesundheit, Krieg und Energieversorgung waren. Es ist eher verwunderlich, dass eine Partei wie die ÖVP, welche nicht nur in ihren Reden, sondern auch in politischer Verantwortung gezeigt hat, dass sie eine Partei des Kapitals, der Großkonzerne und Banken ist und sowohl Demokratie- als auch Sozialabbau in großem Stil durchsetzt, noch immer bei 30 Prozent liegt und nicht noch mehr verloren hat. Auch der Stimmenverlust der „Grünen“ ist kein Fehler in der Themensetzung, sondern Resultat daraus, dass sie bereitwillig alles mitbestimmen was der „große Vater“, die ÖVP durchsetzen möchte. Nicht nur das, sind sie doch auch selber eine Systempartei, die wenn sie die Möglichkeit hat soziale und demokratische Rechte einstampft. Erst jüngstes Beispiel dafür ist der Beschluss über das Ende der „Wiener Zeitung“ in ihrer gedruckten Form, welche die älteste noch erscheinende Tageszeitung weltweit ist und bald ihren 320. Geburtstag feiert. Vor allem die Grünen und ihre Mediensprecherin Blimlinger, die sich sonst gerne als Freunde von „Qualitätsmedien“ aufspielen, drängten auf das Ende dieser Zeitung. Die Begründung: „die gedruckte Welt geht unter“ …. ob Kronen Zeitung und Co. nun wohl auch eingestampft werden?


Dass die Sozialdemokratie nun noch weiter an Stimmen verloren hat und nur noch bei knapp 18 Prozent liegt, unterstreicht die Tiefe der Krise des Reformismus und Sozialdemokratismus in Österreich – kaum jemand glaubt mehr den „sozialen Anstrich“ dieser einstigen „Arbeiterpartei“ - am allerwenigsten die Arbeiterklasse. Das ist Ausdruck davon, dass sich die gegensätzlichen Interessen von einer kleinen Schicht an Monopolkapitalisten und Mächtigen und des absolut größten Teil des Volkes zunehmend verschärfen und der Spagat zwischen Erfüllung der Machtinteressen und Ruhighalten der Bevölkerung immer schwerer zu meistern ist. Das sieht man auch an den SP-geführten Institutionen wie den Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB), dessen Führer nicht am Kampf für die Rechte und Anliegen der Arbeiter und Angestellten interessiert sind, sondern vor allem am eigenen Postenerhalt. Während die Lohnfrage eine der drängendsten Anliegen während der enorm hohen Inflation ist, wurden lächerliche KV-Abschlüsse verhandelt. Nun wird beispielsweise der KV-Abschluss für die Postler überhaupt erst ab Jänner 2024 gelten, was heißt dass die Arbeiter und Angestellten über eineinhalb Jahre Inflation ohne Lohnausgleich bestreiten müssen. Diese Krise der Sozialdemokratie, der zunehmende Verlust ihrer Hegemonie in der Arbeiterschaft, ist gut, denn er zeigt, dass die Arbeiter sich nicht mehr vertrösten und hinhalten lassen, sondern Veränderung wollen. Und diese Veränderung wird es mit dieser Gewerkschaftsführung und mit der SPÖ mit Sicherheit nicht geben. Die „Streitereien“ und „Uneinigkeit“ in der Partei, welche fälschlicherweise oft als eine Ursache der schlechten Wahlergebnisse genannt werden und sich in der derzeitigen Mitgliederbefragung widerspiegeln, sind Ausdruck dieser Krise der Sozialdemokratie. Man wolle mit der Mitgliederbefragung die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen wieder herstellen, obwohl die Politik der letzten Jahrzehnte weder vertrauensvoll noch glaubwürdig war. Das ist tatsächlich eine Herkulesaufgabe, die zum Scheitern verurteilt ist. Egal welchen Anstrich sich der neue Parteivorsitz geben wird, der Kurs der Sozialdemokratie wird kein grundsätzlich anderer sein, da sie alle darum wetteifern, die „besseren“ Vertreter im kapitalistischen Herrschaftssystem zu sein. Mit solchen „Vertretern“ kann die Arbeiterklasse weder einen Lohn über der Inflationsgrenze erstreiten, noch Arbeitsrechte und soziale Rechte stärken, denn diese müssten gegen die Interessen der Kapitalisten durchgesetzt und erkämpft werden.


Die FPÖ konnte als einer der „Wahlsieger“ enorm vom Zorn gegen die „Großparteien“ profitieren und wurde mit über 25 Prozent zur zweitstärksten Partei im Bundesland. Knapp ein drittel ihrer Stimmen holte sie sich von ehemaligen ÖVP-Wählern. Die FPÖ hatte, wenn man so will, tatsächlich die „richtige Schwerpunktsetzung“ und fing einen großen Teil jener auf, die Protest mit dem aktuellen Kurs der Herrschenden zeigen wollen. Das wichtigste Thema für die FPÖ-Wähler war Inflation und steigende Preise. Ein wichtiger Teil der demagogischen Oppositionspolitik der FPÖ ist auch die Frage der Neutralität Österreichs, eine ablehnende Haltung zur EU und ein Ende der Sanktionspolitik. Das sind Themen welche für einen großen Teil der Arbeiter und des Volkes von hohem Interesse sind. Die FPÖ ist jedoch ein Schaumschläger, die jene betrügt die tatsächlich Verbesserungen für die Bevölkerung wollen. Sehen wir uns das neue Arbeitsübereinkommen von ÖVP und FPÖ in Niederösterreich an: es enthält keine Maßnahmen, die tatsächlich gegen Inflation und steigende Preise helfen würden und die Lohnfrage wird nicht einmal aufgegriffen, geschweige denn von Lohnerhöhungen gesprochen! Das Sahnehäubchen ist, dass FP-Landeshauptmannstellvertreter Udo Landbauer nun sogar für einen Teil der EU-Agenden im Bundesland zuständig ist. Im Arbeitsübereinkommen wird festgehalten, Niederösterreich müsse sich in der EU „stark“ machen, denn die EU sei ein „Garant für Sicherheit und Wohlstand“. So viel zur angeblichen EU-Kritik und „Opposition“. Die demagogischen Lügen der FPÖ zu glauben wird nichts anderes bringen, als den eigenständigen Widerstand und Kampf der Bevölkerung zu schwächen und sein Vertrauen an jene zu geben, die keine grundsätzlich andere Politik im Sinne haben, als die anderen Parlamentsparteien.


Der zweite „Wahlsieger“ war bei dieser Landtagswahl die KPÖ+, die sich von unter einem Prozent zu knapp 12 Prozent steigern konnte und in Salzburg Stadt sogar zweitstärkste Partei geworden ist. Mit Sicherheit hat die KPÖ in Salzburg ein für die Bevölkerung sehr wichtiges Thema aufgegriffen: die horrenden Mietpreise und Wohnkosten. Auch die Hilfsbereitschaft ist den KPÖ-Mitgliedern nicht abzusprechen, die kostenlose Sprechstunden machen und auf einen Teil ihrer Gehälter verzichten. Das ist alles schön und gut, denn viele NGO und Sozialorganisationen machen auf die teilweise dramatischen Verhältnisse in den ärmsten Bevölkerungsschichten aufmerksam. Aber das eine ist eine Sozialorganisation, sozusagen „Nächstenliebe“ und Hilfsbereitschaft, das andere ist die soziale und politische Veränderung der kapitalistischen Verhältnisse, der Kriegstreiberei, der verschärften Ausbeutung, der antidemokratischen Gesetze. Und hierfür scheint die KPÖ+ schon viel von jenen gelernt zu haben, die versuchten im größeren Stil innerhalb der parlamentarischen Vertreterpolitik mitzuspielen: Aufgabe von eigenen Prinzipien und Grundsätzen, Distanzierung und Revidierung von Ideologie, Standpunkten und revolutionärem Kampf. All das nur um eine „brave“ und „annehmbare“ Partei im Rahmen des kapitalistischen Herrschaftssystems zu werden. Hier ist die KPÖ hinter den Anschauungen und Anliegen großer Teile der Bevölkerung geblieben, denn diese wissen sehr wohl, dass es um mehr geht, als um „faire Mieten“, dass es einen Bruch mit der Politik der Herrschenden braucht, dass es um gesellschaftliche und Machtverhältnisse geht. Kay-Michael Dankl, KPÖ-Spitzenkandidat und ehemaliger Bundesvorsitzender der „Jungen Grünen“, meinte in einem Interview in der ZIB2 nach der Wahl, dass kommunistisch ja nur hieße sich für die Grundbedürfnisse der Menschen einzusetzen. Von jenen kritischen Stimmen in der KPÖ, die sich gegen NATO und EU-Kriegstreiberei aussprechen distanzierte er sich. Überhaupt präsentierte sich Dankl als absoluter Gegner des EU-Austritts und plädierte für eine „Demokratisierung der EU“, ein Schlagwort wie wir es schon so oft gehört haben. Wie viele Distanzierungen und Revidierungen noch vorgenommen werden müssen, um auch in Zukunft „mitspielen“ zu können sei hier nur einmal als Frage in den Raum gestellt. Der große „Sieg“ der KPÖ+ zeigt also zweierlei. Einerseits wie viele Menschen nach Verbesserungen drängen und sich diese wirklich wünschen. Andererseits aber auch die Krise der KPÖ selbst, dass man sich „einkaufen“ lässt, schwammiger und seichter wird, in der Hoffnung dass „die da oben“ es doch noch gut mit einem meinen. Wie soll es „faire Mieten“ geben, wenn der Wohnungsmarkt hauptsächlich unter Kontrolle großer Immobilienkonzerne und Monopolen steht, wenn hohe Profite mit den Mieten gemacht werden können? Von einem Bruch mit dem kapitalistischen System, wie es die KPÖ zumindest noch in Sonntagsreden hochhält, distanziert sich Dankl. Wie soll mit solchen „Vertretern“ das Wohnungs- und Armutsproblem gelöst werden? Diese Art von „Politik“ kann also keine Alternative sein, auch nicht für die Miet- und Wohnfrage.


Noch stärker als die stimmenstärksten Partei ÖVP ist die Anzahl an Nicht-Wählern. So haben im Vergleich zu den 83.000 die für die ÖVP stimmten, 102.000 erst gar nicht gewählt. Die Herrschenden bejubeln die gestiegene Wahlbeteiligung von knapp sechs Prozent, erwähnen jedoch nicht die enorm hohe Anzahl jener, die nicht an der Wahl teilgenommen haben. Die Wahlbeteiligung ist auch nur im Vergleich zur Landtagswahl 2018 gestiegen, welche die historisch niedrigste Wahlbeteiligung mit 65 Prozent aufwies. Im Vergleich zur Landtagswahl 2013 ist sie sogar leicht gesunken. Genauso wie man in den letzten Jahrzehnten den Trend der Abkehr von vor allem ÖVP und SPÖ feststellen kann, ist das stetige Sinken der Wahlbeteiligung Teil dieser Entwicklung. Über 100.000 von 387.000 Wahlberechtigten glauben offenbar nicht daran, dass die Wahlen etwas für sie positiv verändern könnten. Diesen Teil des Wahlergebnisses nicht zu beachten heißt das Ergebnis nicht in seiner Gesamtheit zu beurteilen. Dass trotz der großen Anzahl an Nichtwählern, der großen Anzahl an Proteststimmen der Kurs der Landespolitik unter ÖVP-Führung fortgesetzt wird, ist nur ein Indiz dafür, wie „demokratisch“ solche Wahlen sind. Sehen wir uns Niederösterreich an und auch zahlreiche Wahlen davor, gilt: nach der Wahl ist vor der Wahl. Die Salzburg-Wahl ist wirklich ein Spiegelbild von Veränderung und Umbruch. Diese Veränderung wird jedoch nicht mit dem Wahlergebnis einsetzen und schon gar nicht durch Wahlen erreicht, sondern muss von den Arbeiter und dem Volk erkämpft werden. Dazu braucht es aber einen Zusammenschluss des Volkes, der Arbeiter, Angestellten, kleinen Selbständigen, Arbeitslosen, Studenten usw… vereint sind sie die stärkste Macht, die sehr viel erreichen kann. Sehen wir uns die aktuellen Massenproteste in Frankreich an, dann sehen wir, dass es nicht irgendwelche Wahlen waren, die das Land in Aufruhr und den Protest gegen antisoziale Entwicklungen hervorgebracht haben, sondern der gemeinsame Kampf des Volkes. Und keiner kann diesen ignorieren und einfach so weitermachen, das wissen die Herrschenden in Frankreich und das weis auch das Volk. Der Zusammenschluss des Volkes, der vereinte Kampf gegen Teuerungen, hohe Mietpreise, Aufrüstung und Kriegshetze, ist der Garant für wirkliche Verbesserungen und gegen die kapitalistische Ausbeuterordnung.



Bildquelle: Karte Salzburg, AleXXw, Wikimedia public domain


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