Im Folgenden veröffentlichen wir ein Interview mit einem Arbeiter aus dem Krankentransport. Aufgrund der Erweiterung der wöchentlichen Arbeitszeit, der Erweiterung von Samstags-Arbeit ohne Zuschläge, wollen wir damit einen Lokalaugenschein in einen Betrieb geben und dabei helfen Anliegen der Arbeiter zu verbreiten.
Die Rote Fahne: Wo arbeitest du, was musst du dort machen?
Ich arbeite bei einem Kranken- bzw. Behindertentransport. Wir befördern Schüler und eingeschränkte, bzw. kranke Menschen zum Arzt oder ins Krankenhaus.
Die Rote Fahne: Wie uns berichtet wurde gab es nun in eurem Betrieb eine Neuerung, die für die Arbeiter eine große Verschlechterung bedeutet: die Samstagsarbeit wurde ausgeweitet. Kannst du uns genauer darüber berichten, was das nun heißt?
2017 haben die Arbeiter für einen Samstagsdienst 50 Euro Prämie bekommen. Ab der Einführung des 12-Stunden-Arbeitstages musste man einen Samstag im Monat arbeiten, ohne Zuschüsse und ohne Prämie. Für viele Kollegen war das schwer, weil der Samstag für Kinder und Familie gebraucht wird und auch um Besorgungen zu machen. Viele Kollegen sagten damals, dass sie das nicht machen können, oder sie erschienen dann nicht zum Samstagsdienst. Es gibt am Samstag eine Früh-, eine Mittel und eine Abendschicht, natürlich will keiner die Mittel- oder Abendschicht machen. Die Kollegen wurden dann angerufen und an ihre Pflicht erinnert, da ja jetzt die 60 Stunden Woche gelte. Und nun wurde der eine Samstag im Monat auf zwei mögliche Samstage erhöht.
Die Rote Fahne: Warum wurde der zweite Samstag verpflichten eingeführt?
Ich denke vor allem, weil wir extremen Personalmangel haben. Es gab einen massiven Stellenabbau, früher hatten wir 150 Fahrer und jetzt sind wir nur mehr ungefähr 80, was knapp nur noch die Hälfte ist. Manche Kollegen sind nur ein paar Monate da und gehen dann gleich wieder. Wir wurden jede Woche gefragt ob wir am Samstag arbeiten könnten und weil es Schwierigkeiten gab Leute dafür zu finden wurde der zweite Samstag verpflichtend eingeführt. Früher wurden Betten und Sessel befördert, dadurch mussten zwei Leute mitfahren. Dann haben sich die Rettungsdienste aufgeregt, da man angeblich eine Sanitäterausbildung für diese Arbeit benötigt. Eigentlich waren da andere Interessen im Hintergrund, weil die Rettungsdienste ca. 50 Euro pro Sessel verdienen.
Die Rote Fahne: Was hältst du von dem zweiten zusätzlichen Samstag? Was sagt die Belegschaft dazu?
Es ist ein verschleiß von Arbeitskraft, wenn man zwei Wochen im Monat sechs Tage arbeiten muss. Die Leute werden auch gar nicht gefragt, sondern es wird einfach so entschieden. Die Firma nutzt auch aus, dass manche Leute dann doch freiwillig am Samstag arbeiten, weil sie schon älter sind und mehr Zeit haben und sich denken, da können sie zusätzlich etwas dazuverdienen. So werden halt die Kollegen untereinander ausgespielt. Ich gehe nicht gerne arbeiten am Samstag, weil es keine Zuschläge und keinen Bonus gibt.
Die Rote Fahne: Das heißt die 60 Stunden Woche wird hier voll ausgenutzt, obwohl es bei deren Einführung ja geheißen hat, dass es nur um „arbeitsintensive“ Perioden ginge. Bei euch ist das ja Dauerzustand.
Es wurde dazu ausgenutzt, um die Flexibilität zu erhöhen und die Arbeit wurde durch den Personalmangel auch um einige intensiver.
Die Rote Fahne: Wie viel Stunden arbeitest du in einer Woche wenn Samstag Dienst ist?
Da kommen schon 60 Stunden zusammen, unter der Woche sind es 10 Stunden pro Tag, ohne Anfahrtszeit.
Die Rote Fahne: Wie viel verdienst du?
Das Grundgehalt ist 1.600 Euro Brutto, weil ich schon länger im Betrieb bin. Dann gibt es Diätengeld, das sind ab zwölf Stunden zehn Euro. Ungefähr ergibt das alles 1.500 Euro Netto und das für eine 60 Stunden Arbeitswoche! Die Arbeit machen viele Migranten, auch ältere Männer die keine Kinder haben und dadurch viel Zeit haben.
Die Rote Fahne: Wie ist die Konkurrenz zwischen den Krankentransportunternehmen, gibt es eine Tendenz zur Monopolisierung
Ja, auf jeden Fall. Seit dem das Gesetz mit den Betten und Sessel erlassen wurde, gingen ein paar Fahrtendienste in Konkurs, weil die damit das meiste Geld gemacht haben. Also es werden immer weniger Firmen die das machen.
Die Rote Fahne: Vor kurzem gab es einen Bericht in den Medien, dass durch die hohen Spritpreise die Krankentransporte nicht mehr alle Leistungen anbieten werden können.
Ja es wird jetzt überlegt, dass man nicht mehr für alle Patienten einen Transport zur Verfügung stellt und die Leistungen kürzt wegen den Spritpreisen. Ich habe gehört, dass überlegt wird die Bestrahlungspatienten nicht mehr zu transportieren. Das muss man sich vorstellen, die sind nach eine Bestrahlung sehr schwach und können nicht einfach mit den Öffis fahren. Dann müssen manche Patienten einfach selber schauen wie sie den Transport organisieren, mit dem Taxi zum Beispiel, was sehr teuer ist.
Das passt aber auch zu den Entwicklungen im Gesundheitssystem insgesamt. Man bekommt in meinem Beruf sehr gut mit, wie das Gesundheitssystem versagt und und was Zwei Klassen Medizin heißt. Wir haben es ja die ganze Zeit mit kranken oder beeinträchtigten Menschen zu tun.
Die Rote Fahne: Was braucht es für die Arbeiter im Krankentransport?
Es bräuchte einen eigenen Kollektivvertrag, weil wir haben jetzt den selben wie die Taxifahrer. Wir haben aber die Verantwortung für die Schüler und Patienten und müssen schauen, dass die Leute sicher ins Krankenhaus kommen. Dieser Kollektivvertrag sollte einen guten Grundlohn und ein einheitliches Prämiensystem beinhalten. Jetzt ist es so, dass man pro Rollstuhl eine Prämie bekommt und so kommt es zum Streit unter den Kollegen, weil manche Strecken mehr Rollstühle haben als andere. Unsere Team-Mentoren, also so etwas wie Vorarbeiter, haben das über unsere Köpfe hinweg entschieden, aber es wäre besser wenn es einen einheitlichen Bonus für alle gibt. Früher gab es 60 Euro als Bonus für alle, jetzt hängt es von der Strecke ab die man fährt. Wer mit Beifahrer fährt, muss sich das auch noch aufteilen.
Die Rote Fahne: Möchtest du sonst noch etwas sagen?
Eigentlich mache ich die Arbeit sehr gerne weil man viele Menschen kennenlernt und auch Dankbarkeit zurückbekommt. Deswegen bin ich auch schon fünf Jahre im Betrieb. Aber die Bezahlung ist schlecht und die Arbeitszeiten sind furchtbar. Wie in der Pflege, die sozialen Berufe werden am asozialsten bezahlt.
Unsere Dienstpläne werden uns aufs Handy geschickt und durch einen Algorithmus erstellt, wodurch ganz komische Dienstzeiten vergeben werden. Mir wurde zum Beispiel im Urlaub ein Samstag zugeschrieben.
Bildquelle: Ambulanz, DerManuW, Pixabay, freie kommerzielle Nutzung
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