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Maria L.

Geteiltes Leid ist halbes Leid? Über die Theorie der multipolaren Weltordnung.


Innerhalb revolutionärer, antiimperialistischer, demokratischer Debatten im Bezug auf den Krieg in der Ukraine gibt es mehr oder weniger klare Haltungen gegen NATO und EU-Militarisierung. Die Rolle Russlands hingegen nimmt manchmal einen umstrittenen Platz ein, vom Aggressor bis hin zum „Verbündeten“ gegen die USA. Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss in dieser Auseinandersetzung nimmt die Theorie der „multipolaren Weltordnung" ein.


Die Theorie erklärt, dass wir heute in einer unipolaren Welt leben, da es die unumstrittene Hegemonialmacht der USA gibt. Diese sei nach 1945 die hegemoniale Macht der kapitalistischen Welt und nach 1989 die einzig hegemoniale Supermacht schlechthin geworden. Diese Vormachtstellung in dem Sinne zu brechen, dass es mehrere „Pole“ der Macht gäbe, würde nach dieser Theorie eine Verbesserung im Sinne von Emanzipation, Frieden oder Souveränität bringen.


Der sowjetische Politiker A. Shdanow charakterisierte mit der Zwei-Lager-Theorie 1947 zwei Qualitäten: Ein imperialistisches und kriegstreibendes, sowie ein friedliches und antiimperialistisches Lager. Die USA und ihre Verbündeten wurden als Kriegstreiber, der Marshall-Plan als Mittel zur imperialistischen Expansion und Unterwerfung charakterisiert. In diese Zeit fällt sowohl die Gründung des Kominform (das internationale Informationsbüro der kommunistischen und Arbeiterparteien) und des Warschauer Verteidigungsvertrags, als auch die Gründung der NATO. Heute gibt es diese zwei Lager nicht, der Hegemonialanspruch der USA kann demnach, im Rahmen dieser Theorie, nicht durch ein anderes System, sondern durch imperialistische Staaten in Frage gestellt werden. Eine multipolare Weltordnung hieße heute also, eine Weltordnung mit mehreren imperialistischen Supermächten, anstelle eines antiimperialistischen und demokratischen Lagers, das gegen das imperialistische Lager gerichtet ist. Die Theorie der „multipolaren Weltordnung“ versteht nicht, dass es verschiedene Qualitäten der Lager gibt und diese Qualitäten jeweils eigenständiger Beurteilung bedürfen.


Ungeachtet dessen, solle eine „multipolare Weltordnung“ einen Vorteil für die unterdrückten Völker und Nationen bringen, denn die Existenz mehrerer imperialistischer Mächte würde einen gewissen Spielraum für Frieden und Entwicklung der kleinen oder ehemals unterdrückten Nationen schaffen. Das mag zu einem gewissen Grad stimmen, doch ob dieser „Spielraum“ durch die unterdrückten Massen genutzt werden kann, oder ob sich lediglich die Fremdherrschaft von einem zum nächsten verschiebt, hängt in erster Linie von den inneren Entwicklungen der Volksbewegung in den verschiedenen Ländern selbst ab. Jene revolutionären und demokratischen Bewegungen, die eine ernste Gefahr für die herrschenden Eliten darstellen, zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie keiner fremden Macht dienen.


Für Einschätzungen bezüglich dem Ukraine-Krieg hat diese Theorie zur Folge, dass der russische Aggressor als positiv bewertet wird – gegen die Vormachtstellung der USA. Daraus entwickeln sich Positionen, die einerseits Illusionen schüren, die Ukraine könne unter der Fremdherrschaft Russlands zu Frieden und Unabhängigkeit gelangen, andererseits wird das revolutionäre Subjekt, also die Rolle der unterdrückten Völker und Nationen vernachlässigt.


Die Theorie der mulitpolaren Weltordnung geht schlussendlich nicht davon aus, dass sich die Kämpfe der Unterdrückten aus eigener Kraft entwickeln, sondern das Potenzial ihrer Emanzipation von der Schwächung der Imperialisten untereinander abhängt. Für demokratische und revolutionäre Bewegungen ist diese Theorie nicht nur falsch, sondern übt einen schädlichen Einfluss aus. Denn egal, wie man es dreht und wendet, diese Theorie stellt nicht den gerechten Kampf der unterdrückten Massen gegen imperialistische Kriege und Aggression an die erste Stelle, sondern liefert die Massen den Widersprüchen zwischen den Großmächten aus. Erfolgreiche Befreiungskämpfe, das beweist die Geschichte, entwickelten sich hauptsächlich anhand des Widerspruches zwischen Imperialismus und unterdrückten Völker, nicht anhand des Widerspruches zwischen den Imperialisten. Eine Politik aber, die kein Vertrauen in die Kraft der Volksmassen hat, den einen oder den anderen Imperialisten verteidigt, ist nichts anderes als eine Stütze des imperialistischen Weltsystems. Ungerechte Kriege, Terror, Elend und Leid, welche der Imperialismus über die Massen der Welt bringt, teilen sich nicht, durch geteilte Vormachtstellungen der Imperialisten.


Bildquelle: Eastern Hemisphere, CommonsWikimedia, Public Domain

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