So sehr das Land und seine Leute auch die österreichische Medienlandschaft beschäftigen, so wenig ist in Wirklichkeit bekannt über die Entwicklung, die Bevölkerung und Ursachen der aktuellen Lage in Afghanistan. „Je mehr Schlagzeilen, desto weniger Wahrheit“ wäre auch in dieser Frage eine treffende Beschreibung der Berichterstattung der sogenannten „Mainstream-Medien“.
Afghanistan ist ein Land das sich von der westlichen Grenze Chinas bis zur Ostgrenze des Iran erstreckt. Ein Gebirgsland, in dem nur zehn Prozent der Fläche unter 600 Meter liegt und Gebirgszüge bis 7.500 Meter (Hindukusch) umfasst. Sowohl wüstenartige Landschaften, Dürreperioden, als auch Gletscher und Schnee zeichnen die vielseitige Natur des Landes aus. Die afghanische Bevölkerung kennt aber vor allem eines: den Interventionskrieg durch ausländische Großmächte.
Vor rund drei Monaten verkündeten die NATO-Truppen unter Führung der USA den endgültigen Abzug aus Afghanistan und damit ihre Niederlage im 20 Jahre andauernden Interventionskrieg. Mit Krokodilstränen in den Augen sahen die „westlichen“ Imperialisten ein „Ende der Demokratie“ in Afghanistan, was wohl ein Manöver war um von den dramatischen Folgen ihres Raub- und Zerstörungskrieges abzulenken. Wirkliche Tränen vergossen sie höchstwahrscheinlich über den Verlust eines großen Teils des Einflusses in diesem für sie strategisch wichtigen Land. Denn nicht nur ist Afghanistan ein Land mit großen Vorkommen unterschiedlicher natürlicher Ressourcen, sondern es sollte den USA und ihren Verbündeten auch für die Einkreisung des Iran und Russlands dienlich sein, um im Kampf gegen die imperialistischen Kontrahenten Russland und China die Stellung zu behaupten. Welch große Opfer und Leid der zwanzigjährige Krieg in der afghanischen Bevölkerung anrichtete, wird von Seiten der Herrschenden zur Seite geschoben.
Im aktuellen Dossier berichten wir über Hintergründe, über Lügen die uns gerne über Afghanistan aufgetischt werden, Besonderheiten der wirtschaftlichen Lage und militärische Aspekte der Entwicklung des Krieges. Im Artikel „Afghanistan – eine Geschichte von Besatzung und Widerstand“ wird ausgehend vom 19. Jahrhundert ein kurzer Überblick über die geschichtliche Entwicklung, die koloniale und imperialistische Einmischung in Afghanistan gegeben. Der Artikel untersucht die Frage welche Interessen die jeweiligen ausländischen Großmächte hatten und welche Kräfte sie im Land finanzierten und unterstützten. Ebenso ist der Artikel Zeugnis über die Entwicklung einer neuen revolutionären Bewegung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ihrer Zielsetzungen, was zeigt, dass die ausländischen Interventionen nie unwidersprochen blieben und die Geschichte der Besatzung auch eine Geschichte des Widerstands ist – ein überaus wichtiger Aspekt für alle die einen eigenständigen und demokratischen Weg des unterdrückten Afghanistans unterstützten wollen. Besonders möchten wir die Aufmerksamkeit unserer Leserinnen und Leser auf den Artikel „Das Ende der westlich dominierten Welt. Einige militärpolitische Fragen des Kriegs in Afghanistan mit Schwerpunkt des deutschen Militäreinsatzes“ lenken. Der Artikel widmet sich den militärischen und politischen Aspekten des 20-jährigen Interventionskriegs in Afghanistan, den verschiedenen militärischen Operationen mit ihren jeweiligen Zielsetzungen und den Hintergründen, warum es den NATO-Mächten nie gelang vollständige Kontrolle über das Land zu erlangen und sie letztendlich abziehen mussten. Die militärpolitischen Aspekte werden im internationalen Rahmen analysiert und zeigen, dass Afghanistan zum Kulminationspunkt der Modernisierung der Kriegsführung für die Imperialisten wird. So wurde die „Aufstandsbekämpfung“, welche vorher in der Regel eine anlassbezogene Notwendigkeit darstellte, zum bestimmenden Faktor der Kriegsführung und Regierungsform. Das ist eine Entwicklung, die für derzeitigen und kommenden Kriegsinterventionen der imperialistischen Mächte von großer Relevanz ist und somit von Interesse für die geneigten Leserinnen und Leser.
Der Artikel „Frauen und Afghanistan“ beschäftigt sich mit dem Argument der „westlichen“ Imperialisten, dass es während der US-Besatzung einen großen Fortschritt bei Frauenrechten gegeben hätte, dass die Frauen Afghanistans einen „westlichen Retter“ bräuchten. Der Artikel stellt dem die wirkliche Lage der Frauen während der Besatzung gegenüber und hält für die Leser auch Material der größten Frauenorganisation Afghanistans bereit. Im Artikel „Einige ökonomische Aspekte Afghanistans“ beschäftigen wir uns mit der sogenannten Drogenökonomie, also die Entwicklung des Opiumanbaus, sowie seinen Ursachen und einigen seiner Folgen. Ebenso behandelt der Artikel die Rolle ausländischer NGO in Afghanistan, welche gewissermaßen die Rolle einer „zivilen Ordnungsmacht“ eingenommen hatten und einen von außen geführten Apparat installierten, welcher die eigenständige Entwicklung eines afghanischen Staates verhinderte.
Wir hoffen mit diesen Beiträgen unseren Leserinnen und Lesern einen guten Einblick ins Thema, sowie Material für weiterführende Debatten zu geben und freuen uns über Rückmeldungen zum aktuellen Dossier.
Bildquellen:
Ethnolinguistische Gruppen in Afghanistan-fr, Wikimedia Common, Public Domain
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