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68 Jahre Staatsvertrag



Am 26. Oktober 1955 wurde das Neutralitätsgesetz verfassungsmäßig beschlossen und damit die "immerwährende Neutralität Österreichs" festgeschrieben. Heute, 68 Jahre später, gibt es von Seiten der Herrschenden und ihrer Helfershelfer eine Generalmobilmachung gegen die Neutralität. Aufrüstung, Militarisierung und Kriegshetze ist Teil des politischen Programms, das sich gegen die österreichische Bevölkerung richtet. Heute ist es die Bevölkerung, die sich gegen die Abschaffung der Neutralität stellt und das ist dringend notwendig.



Anlässlich des Nationalfeiertags veröffentlichen wir einen Artikel aus dem Jahr 2021 aus unserem Archiv.





Nationalfeiertag: Wie die österreichische Neutralität tatsächlich zustande kam

Am 26. Oktober, dem österreichischen Nationalfeiertag, ist vor 66 Jahren die österreichische Neutralität in Kraft getreten. Nach der Befreiung durch den Faschismus 1945 war Österreich in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Zehn Jahre dauerte es, bis der Staatsvertrag unterzeichnet und die staatliche Souveränität Österreichs wiederhergestellt wurde. Am 25. Oktober war der erste Tag, an dem sich keine fremden Truppen mehr im Land aufhalten durften. Einen Tag später trat die Neutralität in Kraft. Auch heute, wird sie in den Reden der Regierung und des Bundespräsidenten erneut als „wichtig“ Beschworen – die Realität sieht jedoch anders aus. Dieser Beitrag widmet sich dem Zustandekommen der österreichischen Neutralität und jenen Kräften, die sich für sie eingesetzt haben, als auch jenen die sie verhindern wollten. Heute ist der Eindruck, dass die österreichische Neutralität nur noch am Nationalfeiertag als „Relikt“ hochgehalten wird. Im restlichen Jahr wird von Seiten der Herrschenden versucht, sie zu umgehen und auszuhöhlen. Die tatsächliche Stellung der Herrschenden zur Neutralität hat der ehemalige Verteidigungsminister und jetziger Landeshauptmann Tirols, Günther Platter, in einem Interview anschaulich dargestellt: „Die Neutralität ist tief im Herzen der Österreicher. Man muss behutsam sein und darf das nicht herausreißen. Es ist besser, eine Operation vorzubereiten, um das vorsichtig herauszuoperieren“ (1). Schon 1990 erklärte die Bundesregierung die Artikel des Staatsvertrages über das Verbot von Besitz und Herstellung von Spezialwaffen (Massenvernichtungswaffen, atomare und chemische Waffen,…) für obsolet. 1991 wurde der Transport von Kriegsmaterial durch Österreich (damals für den Irakkrieg) erlaubt und mit dem Beitritt zur EU werden durch „Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung“ Kriegseinsätze gedeckt. Beides unter Rot-Schwarzer Regierung. Das sind nur einzelne Beispiele in denen die Neutralität in der tatsächlichen Politik nicht mehr beachtet wird. Warum also gibt es überhaupt die Neutralität, wenn die Mächtigen alles tun um sie loszuwerden? Schon ein Jahr nach der Befreiung vom Faschismus, im Dezember 1946, einigten sich die Außenminister von USA und der Sowjetunion auf die Beratung über den „Österreich-Vertrag“ und ein Jahr später wurde das erste Mal verhandelt. Österreich war seit Beendigung des Krieges in eine amerikansiche, britische, französische und sowjetische Zone aufgeteilt. Die Vertreter der Sowjetunion, als auch ein großer Teil der Österreichischen Bevölkerung drängten danach, eine baldige Wiederherstellung der Freiheit Österreichs zu erlangen. Die USA hatte jedoch eigene Interessen und es kam zur Verkündigung der „Truman-Doktrin“ durch den US-amerikanischen Präsident Harry Truman. Nach der Niederschlagung des deutschen Faschismus witterte das amerikanische Kapital seine Chance zur neuen hegemonialen Supermacht. Die Truman-Doktrin war die Rechtfertigung für die Intervention der USA in innere Konflikte anderer Nationen, wie im Koreakrieg, im Griechischen Bürgerkrieg und Vietnam. Der Vorwand war die „Eindämmung“ des Kommunismus. Nicht ohne Grund, denn für die Imperialisten war die Nachkriegsordnung verheerend: ein drittel der Länder der Welt war sozialistisch und volksdemokratisch und die nationalen Befreiungsbewegungen der kolonialen Länder gewannen an Kraft und Stärke. In Europa ging es für die amerikanischen Imperialisten darum, die Volksdemokratien im Osten zu beseitigen und die antifaschistischen Kräfte zurückzudrängen, um die kapitalistische Ordnung zu sichern. „Sie wollten den politsichen, ökonomischen und militärischen Zusammenschluss der kapitalistischen Länder – unter Vorherrschaft der USA – absichern.“ (2) Diese Orientierung der USA verhinderte einen schnellen Abschluss des Staatsvertrages, da die Westmächte die weitere Entwicklung der Kräfteverhältnisse abwarten wollten, um eine für sie bestmöglich Lage zu erreichen. „Und während drei Jahrzehnte später der damalige Außenminister Gruber (ÖVP) in seinen Memoiren festhielt, dass ‚sich für uns der Westen als das Haupthindernis zum Abschluss eines österreichischen Staatsvertrags dar(stellte). Allen voran die Vereinigten Staaten selbst‘, wurde damals, 1947, die Lügenwalze vom angeblichen sowjetischen ‚Njet‘, das den Vertragsabschluss behindere, von eben diesen Spitzenpolitikern in der ÖVP wie in der SPÖ in Bewegung gesetzt.“ (3) Gruber hielt das aber kaum als Antiamerikanist fest, er wurde nicht umsonst „Stimme Amerikas“ genannt. Dass diese falschen Behauptungen auch heute noch verbreitet werden, sieht man am Wikipedia-Artikel zur "Österreichischen Neutralität". Dort wird fälschlich behauptet, dass die Besatzungsmächte erst 1955 abzogen, "weil die Sowjetunion dem Abzug ihrer Truppen nicht zustimmte". Auf Kosten des Österreichischen Volkes und seiner Freiheit zögerten die Westmächte den Staatsvertrag bis 1955 hinaus. Das es den Westmächten und allen voran den amerikanischen Monopolkapitalisten nicht um den „Frieden“ ging, zeigt auch der im Juni 1947 verkündete Marshall-Plan, der die Ausweitung der Truman-Doktrin auf die Wirtschaft bedeutete. Damit wurde Österreich dazu gezwungen, sich wirtschaftlich von den östlichen Nachbarstaaten zu distanzieren, um den Interessen der amerikanischen und deutschen Wirtschaft zuzuarbeiten. Im April wurde 1949 die NATO gegründet. Die amerikanischen Führer nutzen das besetzte und vom Krieg zerrüttete Österreich als Spielball in der Hand der Westmächte. Sie schreckten auch nicht vor dem Gedanken der Spaltung Österreichs zurück, falls es nicht gelang Österreich in die „westliche Welt“ zu integrieren. Der Abzug der Truppen wurde erneut hinausgeschoben, da „die ‚Preisgabe‘ der Landbrücke zwischen den deutschen Besatzungszonen der Westmächte und Italien unerwünscht sei“. Sehr undiplomatisch erklärte der US-Hochkommissar im Mai 1947, dass die „amerikanischen Besatzungstruppen so lange in Österreich verbleiben würden, bis ‚die Russen‘ die amerikanische Position akzeptiert hätten“. „Der amerikanische Oberkammandierende in Österreich, General Keyes, verkündete im Mai 1949, dass „der Kampf gegen den Kommunismus und das sowjetische aggressive wirtschaftliche und politische Eindringen in Westeuropa“ der „vorrangige Zweck“ der Präsenz der US-Truppen in Österreich sei.“ (4) Die Österreichische Regierung (SPÖ, ÖVP) verriet die Friedensbestrebungen der österreichischen Arbeiter und Massen. Der US-Gesandte Erhardt berichtete schon 1948 über die große Loyalität der österreichischen Regierung gegenüber dem „Westen“. Der damalige SPÖ-Vorsitzende Schärf betonte, ganz in der Manier eines treuen Kettenhundes, dass keine Änderung in der grundlegenden Außenpolitik der Sozialisten ohne Konsultationen mit den USA stattfinden würden. Ende 1949 schrieb Schärf: „Wir wissen, dass wir die Einordnung in ein größeres politisches und vermutlich auch militärisches System brauchen; aber ich glaube, es wäre unmöglich, in einem Zustand der Vier-Mächte-Besatzung etwas öffentlich zu erklären, wir wollen dem Atlantikpakt beitreten, wenn wir frei sind.“ Hinter vorgehaltener Hand erklärte Schärf also schon vor dem Abzug der Truppen seinen Willen zur Eingliederung in ein „größeres militärisches System“ - das Gegenteil der Neutralität! Die Neutralität wurde hingegen von der Sowjetunion gefordert, deren Forderungen für den Staatsvertrag waren: „Loslösung Österreichs von Deutschland, ökonomische und politische Kontakte Österreichs mit Ost und West, Nichtbeitritt Österreichs zur NATO oder zu einem anderen militärischen Pakt und damit die Erhaltung der Einheit des Landes.“ Die Verantwortung dafür, dass der Staatsvertrag und die Neutralität erst zehn Jahre nach der Befreiung in Kraft getreten sind, haben die damaligen führenden Vertreter der SPÖ und ÖVP, die bedingungslos die Politik der Westmächte unterstützen, im Interesse von deren Kuchen „mitnaschen“ zu können und an der Macht zu bleiben. Nicht nur wurde der US-Einfluss in Österreich gefördert, auch die Wiederaufrichtung des deutschen Militarismus sollte durch die Westmächte gefördert werden: „In den beiden Regierungsparteien treten immer mehr jene Kräfte in den Vordergrund, die unter dem Einfluss der amerikanischen Politik einen neuen Anschluss, diesmal an Adenauer-Deutschland, vorbereiten. Diese Kräfte tarnen ihre Anschlusspropaganda mit einer lärmenden „Europa“-Propaganda, wobei sie sich vollkommen bewusst sind, dass sich hinter dieser „Europa“-Reklame nichts anderes als die Bestrebungen zur Wiederaufrichtung des deutschen Militarismus verbergen. Auf der Brüsseler Konferenz der Sozialistischen Parteien, haben die Führer der SPÖ Schärf und Pittermann entgegen den Interessen Österreichs für die Europa-Armee und für die Wiederaufrüstung Westdeutschlands gestimmt. Ebenso bekunden die Führer der ÖVP bei jeder Gelegenheit ihre Solidarität mit der provokatorischen Politik der Adenauer-Clique.“ (5) Jene Partei, die seit der Befreiung vom Faschismus den Kampf für die Unabhängigkeit Österreichs fortsetzte, war die Kommunistische Partei Österreichs. Sie forderte den Abzug aller ausländischen Truppen aus Österreich und einen raschen Abschluss des Staatsvertrags. In einem Antrag der Abgeordneten der „Österreichischen Volksopposition“ (KPÖ gemeinsam mit Linkssozialisten) wurde im April 1953 die Regierung aufgefordert „den Großmächten unmissverständlich klarzumachen, dass Österreich entschlossen ist, eine Politik der strikten Neutralität durchzuführen“ (6). Dieser Antrag wurde von allen anderen im Parlament vertretenen Parteien geschlossen abgelehnt. Am heurigen Nationalfeiertag betonte der Bundespräsident Van der Bellen die Aufgabe der Rekruten, dass sie „dem Land dienen“ müssen und das auch die Aufgabe der Politiker sei. Doch ganz in der Manier der Politik der Westmächte in den späten 40er und 50er Jahren, ist das ein Feigenblatt um tatsächlich die Militarisierung, Teilnahme an militärischen Einsätzen und Kriegstreiberei voranzutreiben. Der Wiener SPÖ-Bürgermeister Ludwig betonte in seiner heutigen Rede, dass „Österreich einen wesentlichen Beitrag leisten kann, als Brückenbauer, um überall wo es Konflikte auf der Welt gibt einzugreifen“. Er nannte die Einsätze in Mali, Bosnien und Herzegowina und nannte es „Landesverteidigung“. Damals wie heute wissen die Demokraten, Revolutionäre und Antifaschisten, dass österreichische Truppen nicht den „Frieden“ in anderen Ländern, sondern die Herrschaft der Mächtigen über die unterdrückten Länder sichern sollen. Dabei muss sich stets an die Rolle der Herrschenden in Österreich erinnert werden, die auch die Selbstbestimmung des Landes opferten, um die kapitalistische Ordnung aufrechtzuerhalten.

(1) Günther Platter, als damaliger Verteidigungsminister, in: Die Presse, 5.12.2003 (2) Die Kommunistische Partei Österreichs. Beiträge zu ihrer Geschichte und Politik. Globus Verlag Wien. S. 360. (3) Ebd. S. 360-361. (4) Ebd. S. 362. (5) Der 16. Parteitag der Kommunistischen Partei Österreichs, Stern-Verlag Wien, S. 58. (6) Die Kommunistische Partei Österreichs. Beiträge zu ihrer Geschichte und Politik. Globus Verlag Wien. S. 363.

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