Im Juni dieses Jahres veröffentlichten Organisationen aus Brasilien, der Türkei, Ecuador und Mexiko (1) einen Aufruf (LINK: ail-red.com) zur Gründung der „Antiimperialistischen Liga“ (AIL), einer „vereinten internationalen Organisation des Kampfes gegen den Imperialismus“. Diese vier Kräfte, die sich selbst als revolutionäre und demokratische Organisationen verstehen, schlossen sich zu einem Koordinierungskomitee zusammen, welches auf Grundlage eines veröffentlichen Programms, bestimmten inhaltlichen Grundlagen und eines Organisationskonzeptes einen Prozess der Vorbereitung der AIL eingeleitet hat. In vielen Regionen und Ländern der Welt fand diese Initiative schon ersten Widerhall (bspw. auch in Österreich: LINK: Volksstimmefest 2024: Freiheit für Palästina!), begleitet von politischen Aktionen und Aufrufen zur Unterstützung der aktuellen Kämpfe in Palästina, Indien oder auf den Philippinen.
„Unsere Welt befindet sich in einer Zeit des Aufruhrs, der tiefen Unruhe und des Wandels“, ist einer der Einleitungssätze des Aufrufs zur Gründung der AIL. Das trifft den Punkt der derzeitigen Periode, welche auch im bürgerlichen Medienapparat - mit zunehmender Verzweiflung - angesichts des Verlusts der „politischen Stabilität“ reflektiert wird. Verstärkte Angriffe auf die sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Arbeiter und Massen, neue Aggressionskriege gegen die Völker (wie beispielsweise in der Ukraine oder dem Genozid Palästina), Aufrüstung und allgemeine Kriegsvorbereitung, oder die tiefgreifende Skepsis und Ablehnung von großen Teilen der Bevölkerung gegen ihre „politischen Repräsentanten“, prägen das Bild der politischen Verhältnisse. Nicht nur die jüngeren Kriege in Afghanistan, Irak, Libyen, Mali oder Syrien haben eindrückliche Erinnerungen an die Auswirkungen der US-imperialistischen Interventionen im Ausland hinterlassen, auch das Corona-Regime und die seit Jahren anhaltende Teuerung unter dem Mantel der „Notwendigkeit“ im Sanktionskrieg gegen Russland, haben das Bild von der „westlichen liberalen Demokratie“ unzweifelhaft bröckeln lassen. Das Weltsystem des Imperialismus ist in einer seiner tiefsten wirtschaftlichen und politischen Krise seit dem Ende des 2. Weltkriegs. Und trotz der Tatsache, dass die derzeitigen Niedergangstendenzen des US-Imperialismus anderen imperialistischen Ländern wie Russland, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, etc. oder dem sozialimperialistischen China eine stärkere Bedeutung verleihen, „steht der US-Imperialismus immer noch im Zentrum des imperialistischen Systems und ist der Hauptakteur aller Arten von Ausbeutung, Ausplünderung, ungerechten Kriegen und Besetzungen in der Welt“, so das Gründungskomitee der AIL.
In den politischen Grundlagen definiert das Gründungskomitee den Imperialismus als „die höchste Stufe des Kapitalismus, ein monopolistisches, verfallendes, sterbendes System der Ausbeutung und Ausplünderung, das mit Widersprüchen existiert, die unweigerlich sein eigenes Ende vorbereiten“. Diese Definition, welche sich auf die Theorien des russischen Revolutionsführers Lenin stützt, legt den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Imperialismus dar. Dabei werden diese nicht als zwei unterschiedliche Systeme bezeichnet, sondern als unterschiedliche Stadien einer bestimmten Wirtschaftsweise. Der Imperialismus wird als das heutige Stadium des Kapitalismus definiert, welcher sich insofern vom frühen Kapitalismus unterscheidet, da dieser zum Weltsystem wurde und die Vorherrschaft der Monopole (die Verschmelzung von Industrie und Banken) gegenüber der „freien Konkurrenz“, sowie die Vorherrschaft weniger imperialistischer Länder, gegenüber der Mehrheit der unterdrückten Völker und Nationen, durchsetzte. Diese Monopole agieren nicht unabhängig und selbstständig, sondern haben sich fest mit dem imperialistischen Staatsapparat verschmolzen und sich diesen auch zum „Instrument“ gemacht. Werfen wir beispielsweise einen Blick auf die heutige Autoindustrie, welche sehr von der derzeitigen Krise geprägt ist, dann sehen wir nicht nur den Aspekt der „unterdrückten Länder“, durch die Auslagerung der Produktion in sogenannte Billiglohnländer, sondern auch die direkte Zusammenarbeit mit dem Staatsapparat durch Milliarden-Investitionen für die größten Konzerne zur Förderung „neuer Technologien“, oder auch durch Sanktionen gegen andere imperialistische Konkurrenten (wie es derzeit mit China in Diskussion ist). Ein erfolgreicher Kampf gegen diese Monopole ohne einem gleichzeitigen Kampf gegen den imperialistischen Staatsapparat, ist daher – zurecht - kaum vorstellbar.
Diesem Verständnis von Imperialismus folgend, muss der antiimperialistische Kampf, laut Gründungsprogramm, auch über die Ablehnung einzelner imperialistischer Staaten hinausgehen: „Den Antiimperialismus darauf zu beschränken, sich gegen ein imperialistisches Land in den Kolonien und Halbkolonien zu richten, bedeutet, gegen eine Invasion oder gegen diese oder jene imperialistische Macht zu sein, aber es ist nicht gleichbedeutend damit, auf einer vollständigen und konsequenten Basis antiimperialistisch zu sein.“ Diese Feststellung ist heute insofern von Bedeutung, da sie ein tieferes Verständnis von Antiimperialismus erlaubt, welches auch angesichts allerlei Verwirrungsversuche durch Monopolmedien als auch der revisionistischen und opportunistischen Kräfte, unzweifelhaft notwendig ist. Gerade am Beispiel der Ukraine wird allerhand Verwirrung mit dem Begriff des Imperialismus als auch des Antiimperialismus gestiftet. Der sogenannte „Westen“, vor allem die USA, welche seit Jahrzehnten in ein Land nach dem nächsten einfallen und zerstören, werfen nun Russland „Imperialismus“ vor, während Russland seine Intervention im Namen des „Antiimperialismus“ legitimiert. Die unterdrückten Völker haben jedoch auf dem Weg zu ihrer Unabhängigkeit und nationalen Befreiung keinesfalls das Interesse sich zum Spielball des einen oder anderen Imperialisten machen zu lassen, weshalb auch das Verständnis von Imperialismus, als monopolistisches Stadium des Kapitalismus, welches die gesellschaftliche Situation aller Länder bestimmt, von entscheidender Bedeutung ist.
„Trotz all seiner Widersprüche und seiner Verkommenheit wird das imperialistische System nicht von selbst verschwinden.“, so eine weitere wesentliche Position im Gründungsaufruf der AIL. Es reiche daher nicht aus die aktuellen Bestrebungen und Kämpfe, die es mannigfaltig und zu unterschiedlichen konkreten Anlässen gibt, lediglich zu unterstützen, sondern es brauche eine organisierte Form der internationalen Zusammenarbeit, welche zur Aufgabe hat, diese Kämpfe zu entwickeln und gegen den Hauptgegner, den Imperialismus, zu vereinen. Als konsequenteste Kraft im Kampf gegen den Imperialismus wird das Proletariat, also die Kernschichten der Arbeiterklasse definiert. Der Antiimperialismus vereine jedoch noch viel mehr Teile der Bevölkerung, so das Verständnis der sich in Gründung befindenden AIL: „Wir fordern die Gründung einer antiimperialistischen internationalen Organisation (Antiimperialistische Liga), die die breiten Volksmassen unter der Führung des Proletariats gegen den Imperialismus und alle Formen der Reaktion vereint, (…) um eine antiimperialistische Weltfront zu bilden.“ und „Die von der AIL vertretene Linie repräsentiert die gerechten und legitimen Forderungen der Arbeiter, Werktätigen, armen und landlosen Bauern, unterdrückten Völker und Nationen auf der ganzen Welt.“ Die AIL stellt sich damit die Aufgabe unterschiedliche Klassen und Schichten in einer gemeinsamen Organisation zu einen.
Dass so ein internationaler Zusammenschluss heute dringend notwendig ist, zeigen auch die aktuellen Kämpfe und Bewegungen welche die letzten Jahre die politische Lage in Österreich wesentlich mitbestimmt haben, und die teilweise spontan und „aus der Situation“ abgeleitet, nach internationalen Bündnispartnern und Koordination suchen. Am deutlichsten sehen wir diesen internationalen Aspekt in der gegenwärtigen Palästinasolidaritätsbewegung, wo darum gekämpft wird nicht nur verstärkte Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Regionen des Landes herzustellen, sondern auch von anderen Ländern zu lernen und sich mit diesen zu Koordinieren, und zu diesem Zweck Veranstaltungen und internationale Konferenzen durchführen. Wir sehen dieses Drängen jedoch auch in der gewerkschaftlichen Bewegung und den Kämpfen der Arbeiter. Der Kampf gegen die Schließung von MAN Steyr fand schon im Jahr 2021 Verbündete beispielsweise in Deutschland, wo die Arbeiter mit ähnlichen Kündigungswellen konfrontiert waren. Heute stellt sich diese Frage der internationalen Zusammenarbeit wieder akut, wo der VW Konzern (zu dem auch die damals von Wolf übernommenen Steyr Werke gehörten) Betriebsschließungen von in der jüngeren Geschichte unbekanntem Ausmaß vorbereitet.
All jenen Lesern der ‚Roten Fahne‘ die sich mit der Geschichte des Antiimperialismus beschäftigt haben, werden durchaus viele historische Beispiele und Versuche von antiimperialistischen Bündnissen und Organisationen einfallen. Ein in gewisser Hinsicht lehrreiches Beispiel ist dabei wohl auch die „Liga gegen Imperialismus“, welche wesentlich auf Initiative der Kommunistischen Internationale (KomIntern) in den 20er Jahren des vorherigen Jahrhunderts gegründet wurde. Sie leistete einen Beitrag dazu, die Kämpfe der Völker in den Kolonien (damals z.B. mit der Kampagne „Hände weg von China“) mit den Kämpfen der Arbeiter und der Volksmassen in den imperialistischen Ländern zu verbinden, was als eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der revolutionären Weltbewegung gesehen wurde. In der Nachkriegszeit finden sich ebenfalls einige Beispiele solcher antiimperialistischer Zusammenschlüsse, die sich beispielsweise im Zuge des Vietnamkriegs, oder der kubanischen Revolution gegründet haben, jedoch auch von starken inneren Kämpfen verschiedener Teile der Bewegung geprägt waren, deren Lehren jedoch auch für den heutigen Prozess der Gründung der Antiimperialistischen Liga sicherlich von entscheidender Bedeutung sind.
Abschließen richtet sich das Gründungskomitee an alle Interessierten mit dem Aufruf: „Mit dieser Perspektive laden wir alle antiimperialistischen Kräfte ein, sich in der AIL zu organisieren und zu kämpfen.“ Als ‚Rote Fahne‘ sehen wir die bisherigen Veröffentlichungen des Koordinationskomitees für die AIL als positiven Schritt, wollen den Gründungsprozess daher auch weiterhin journalistisch begleiten und unsere Leserinnen und Leser darüber am Laufenden halten.
Quelle: ail-red.com
(1) Koordinationskomitee der Antiimperialistischen Liga (AIL):PARTİZAN (TÜRKEI)REVOLUTIONÄRE FRONT ZUR VERTEIDIGUNG DER VOLKSRECHTE (BRASILIEN)FRONT ZUR VERTEIDIGUNG DER KÄMPFE DES VOLKES (ECUADOR)STRÖMUNG DES VOLKES – ROTE SONNE (MEXIKO)
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