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Babler: Vor Dammbruch der SPÖ bei Frieden und Neutralität?


Wir möchten einen Artikel der Solidarwerkstatt über Andreas Babler, den neuen Parteivorsitzenden der SPÖ, zum Thema Frieden und Neutralität teilen.


Der Artikel demonstriert mit zahlreichen Zitaten und Quellen die Haltung des SPÖ-Vorsitzenden zur Kriegstreiberei, zur Aufrüstung und zur EU. Der angeblich "linke" Parteivorsitzende, und sich selbst sogar hin und wieder als "Marxist" bezeichnende Babler, zeigt sich daran als das, was schon vor der Wahl erwartbar war: als jemand der den Kurs der Herrschenden stützt, der die Kriegstreiberei mitträgt und weder die Arbeiterklasse noch die unterdrückten Teile des Volkes in ihren Anliegen repräsentiert!


Der Trend der letzten Jahrzehnte in der Sozialdemokratie war Erosion und Krise. Babler wurde von den Systemmedien als „Veränderer“ und Repräsentant eines „Links-Rucks“ in der Partei hochstilisiert. Babler als Vorsitzender repräsentiert jedoch die „alte“ SPÖ und seine Taten werden so weit gehen, wie ihn SPÖ-Wien und Gewerkschaftsführung lassen. Offensichtlich ist jedoch, dass Babler nicht eine „neue Sozialdemokratie“, sondern den „alten Kurs“ repräsentiert. Dass dies die Krise des Sozialdemokratismus in Österreich weiter befeuern wird, ist eine Tatsache die immer offener zutage tritt.





Babler: Vor Dammbruch der SPÖ bei Frieden und Neutralität?






In der Phase des SPÖ-internen Wahlkampfes hielt sich Andreas Babler in außen- und sicherheitspolitischen Fragen bedeckt. Doch kaum war er als neuer Parteivorsitzender gewählt, brauchte er keine zwei Tage, um die Tür dafür zu öffnen, sämtliche rote Linien, die es in der SPÖ-Friedens- und Neutralitätspolitik noch gab, zu zertrampeln.







Andreas Babler hat im Zuge der SPÖ-internen Wahlkampfes um den Vorsitz wichtige positive Akzente gesetzt, die viele Menschen innerhalb und außerhalb der SPÖ begeistert haben: Schärfung des sozialen Profils, mehr Gleichberechtigung, Umverteilung von oben nach unten – von der Einführung von Vermögenssteuern bis hin zur Arbeitszeitverkürzung, Verbindung von Klimaschutz und sozialer Frage uvm. Was jedoch auffiel: Der sonst so beredte Politiker blieb bei außen- und sicherheitspolitischen Fragen wortkarg. Dazu findet sich auch in seinem detailreichen fast 30-seitigen Programm kaum etwas. Es verwunderte, das ausgerechnet Leute wie Wolfgang Petritsch von Babler an Bord geholt wurden, diese Leerstelle in seinem Programm zu füllen. Immerhin war Petritsch als seinerzeitiger EU-Sonderbeauftragter für den Kosovo einer der Einfädler des völkerrechtswidrigen NATO-Angriffskriegs gegen Jugoslawien. Als Babler mit seinen früher gerade im außen- und sicherheitspolitischen Bereich sehr kantigen Positionierungen konfrontiert wurde, in denen er sich klar für die Neutralität, gegen die Militarisierung der EU bis hin zum EU-Austritt aussprach, blieb Babler eher kleinlaut, flüchtete ins Allgemeine.


Doch kaum war – mit den bekannten Stolpersteinen – seine Wahl zum SPÖ-Vorsitz vollzogen, kam es zum Dammbruch: Babler brauchte keine zwei Tage, um die Tür dafür zu öffnen, sämtliche rote Linien, die es in der SPÖ-Außen- und Sicherheitspolitik noch gab, zu zertrampeln und auf einen Kurs der offenen Militarisierung und Neutralitätsbeseitigung einzuschwenken:

  • Die Frage, ob österreichischen SoldatInnen zum Minenräumen in den Ukraine-Krieg entsendet werden sollten, hält Babler zwar für „eine schwierige Frage“, will das aber keineswegs ausschließen (sh. Puls 4-Interview, 7.6.2023): Jeder weiß, dass das damit Österreich Hilfsdienste für eine Kriegspartei leisten würde – was völlig unvereinbar mit der österreichischen Neutralität ist. Bemerkenswerterweise fällt Babler kein Wort dazu ein, was das neutrale Österreich auf diplomatischem Weg dazu beitragen könnte, diesen Krieg zu beenden. Selbst der frühere Außenminister des nicht-neutralen Italiens Di Maio war diesbezüglich einfallsreicher und mutiger (siehe hier).

  • Babler hält die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips in der EU-Außen- und Sicherheitspolitik „für eine berechtigte Frage“ und will sich keineswegs dagegen positionieren (sh. Puls 4-Interview, 7.6.2023). Damit wäre freilich jeder Rest von Neutralität eliminiert, weil dann über die Frage von Krieg und Frieden nicht mehr in Wien, sondern in Brüssel entschieden würde. Das Grundprinzip der Neutralität ist bekanntlich, sich an keinen Kriegen zu beteiligen. Die außen- und sicherheitspolitische Unabhängigkeit ist eine Grundvoraussetzung für eine aktive Neutralitäts- und Friedenspolitik.

  • Folgerichtig auch die Neupositionierung Babler zur EU-Armee, die für die bisherigen SPÖ-Führungen ein No-Go war. Auf die Frage: „Ist für Sie eine EU-Armee ein No Go?“ antwortet Babler: „Nein, darüber sollten wir diskutieren.“ (Standard, 9.6.2023)

  • Wer so weit geht, will auch das letzte Hindernis fürs Kriegsführen der EU inklusive Österreichs einreißen. Babler: „Ich glaube, es ist zu wenig, wenn man sich immer darauf zurückzieht, dass Einsätze nur mit UN-Mandat möglich sind“ (Standard, 9.6.2023). Ja, so haben das NATO- und EU-Kriegsherren bei ihren völkerrechtswidrigen Angriffskriegen in Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Irak, Libyen auch gesehen. Ebenso wie Putin derzeit beim völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine.



Kein „Comeback“, sondern Suizid mit Anlauf


Diese Vorgehensweise des neuen SPÖ-Vorsitzenden hat etwas Putschartiges. Wäre er mit diesen Inhalten in den SP-internen Wahlkampf gezogen, hätte er wohl keine 10% der Stimmen bekommen, recht viel größer ist die offen neutralitätsfeindliche, bellizistische Strömung innerhalb der SPÖ-Basis wohl kaum. Selbst das Parteiestablishment, das seit dem EU-Beitritt eine Salamitaktik zur scheibchenweise Entsorgung der Neutralität verfolgt, hat sich bislang nicht getraut, diese roten Linien zu übertreten. Damit hat Babler viele seiner AnhängerInnen und WählerInnen vor den Kopf gestoßen, ja offen betrogen. Statt mit offenem Visier anzutreten, hat er links geblinkt, um nach der Wahl scharf rechts Richtung Militarisierung abzubiegen. Statt wie angekündigt, der Partei und ihren Mitgliedern Würde und Teilhabe zurückzugeben, hat er sie hochkant hinters Licht geführt und die friedens- und neutralitätspolitischen Wurzeln der Kreisky-Zeit mit Füßen getreten. Dass er dem ganzen einen linken Mantel umhängt, macht die Sache nicht besser, sondern bestenfalls infamer. Das ist kein „Comeback“ einer Sozialdemokratie, die diesen Namen verdient, sondern ihr Suizid mit Anlauf.


Babler, der selbsternannte Kämpfer gegen das Establishment, will sich offensichtlich als Mann des aggressivsten Flügels im EU-Establishment empfehlen. In der österreichischen Politlandschaft kannte man das in dieser Schärfe bislang vor allem von den Neos (immer schon) und der FPÖ, wenn sie in die Regierungsverantwortung drängte. Man erinnere sich an den Sager von HC Strache, als er sich „für eine EU-Armee inklusive Atomwaffen“ (Die Presse, 26.2.2017) stark machte, um den Boden für türkis-blau zu ebnen. Denn auch Teile der ÖVP verfolgen den Kurs, die Neutralität offen zu entsorgen, es spricht aber Bände, dass ausgerechnet die schwarze Verteidigungsministerin Tanner dem neuen SP-Chef Babler für seinen jüngsten Ausritten scharf kritisiert: "Für mich als Verteidigungsministerin ist es sehr irritierend, wenn jemand für eine EU-Armee plädiert und sich für Militäreinsätze ohne rechtliche Grundlage, sprich UN-Mandat, ausspricht." (APA, 10.6.2023). Das mag geheuchelt sein, eine ordentliche Gnackwatschn für Babler ist es allemal, dass ihm eine Schwarze neutralitätspolitisch die Leviten liest.



„Drecksarbeit“ verrichten?


Das heißt freilich nicht, dass mit der Wahl eines/r der beiden KontrahentInnen von Babler nicht eine ähnliche Volte vorstellbar gewesen wäre. Rendi-Wagner hat als außenpolitische Sprecherin der Partei kein Sterbenswörtchen der Kritik an der aktuellen EU-Hochrüstungspolitik verloren, Doskozil war seinerzeit als Verteidigungsminister einer ihrer Vollstrecker, als er gemeinsam mit Außenminister Kurz die Teilnahme Österreichs an der „Ständig Strukturierte Zusammenarbeit“ (EU-SSZ/Pesco) auf Schiene brachte. Militarisierung und Aufrüstung stehen derzeit ganz oben auf der EU-Agenda. Der Druck in diese Richtung vor allem aus Brüssel und Berlin ist enorm. Die Begeisterung der Bevölkerung dafür allerdings weniger. Es wäre nicht das erste Mal, dass sozialdemokratische Parteiführungen bereit sind, die „Drecksarbeit“ zu erledigen, um an Regierungsgeschäften- und töpfen mitnaschen zu können. Und die Polit-, Wirtschafts- und Medieneliten sind oft schlau genug zu wissen, dass manche „Drecksarbeit“ nur unter Einbeziehung von Sozialdemokraten erledigt werden kann. Das war so bei der Privatisierung der Verstaatlichten in den 90er Jahren und manche gehen wohl davon aus, dass auch für den Todesstoß gegen die Neutralität die Beteiligung der SPÖ unverzichtbar sei.



Eine der ganz großen Auseinandersetzungen


Als friedensbewegte Menschen sollten wir uns aber trotzdem davor hüten, in ein undifferenziertes SPÖ-Bashing zu verfallen. Babler hat mit seinen jüngsten Ausritten gegen Neutralität und Friedenspolitik auch einen Großteil der eigenen Mitglieder hinters Licht geführt. Die Entwicklung der SPÖ kann Neutralitätsbefürwortern nicht egal sein, unabhängig davon, ob sie Mitglied dieser Partei sind oder nicht. Diese Auseinandersetzung um die österreichische Neutralität wird eine der ganz großen der nächsten Zeit werden – und sie ist noch keineswegs entschieden. Wie diese Auseinandersetzung innerhalb der Sozialdemokratie ausgehen wird, wird insgesamt von großer Bedeutung sein. Die Solidarwerkstatt Österreich, deren Mitglied Andreas Babler bekannterweise einmal war, ist ein verlässlicher Bündnispartner für alle, die sich für ein neutrales Österreich und gegen das Mitmarschieren bei der EU-Militarisierung engagieren – selbstverständlich auch jener, die das innerhalb der SPÖ tun und dem von Babler in den Raum gestellten Dammbruch entgegentreten wollen.


Und wer weiß: Vielleicht erkennt auch Babler, in welche fatale Sackgasse er sich bewegt, wie sehr dieser Militarisierungkurs im Widerspruch zu seinen sozialen und ökologischen Ansagen steht. Und er kehrt in eine friedenspolitische Richtung um, die Kreisky seinerzeit erfolgreich beschritten hat. Seine Wandlungsfähigkeit hat er ja bereits hinlänglich unter Beweis gestellt.


(Juni 2023)






Bildquelle: Andreas Babler, HylgeriaK - Wikipedia Commons, CC BY-SA 4.0

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