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  • W.K.

Ausstellung zum Arbeitersport. Eine Kritik.

Aktualisiert: 13. Jan. 2022

Am 28. November endete im Museum „Roter Waschsalon“ (Karl-Marx-Hof) in Wien eine Sonderausstellung zum Thema Arbeitersport. Schwerpunkt war die in Wien stattgefundene Zweite Arbeiter-Olympiade 1931, ausgerichtet von der Sozialistischen Sportinternationale. Die Ausstellung zeigte zwar manches Interessante und war stellenweise durchaus informativ, gleichzeitig blendete sie aber entscheidende Fragen konsequent aus und ging schlussendlich nicht über eine Jubel- und Gefälligkeitsausstellung der SPÖ-Geschichtsschreibung hinaus.


1931 war ein wichtiges Jahr für den österreichischen Arbeitersport, denn noch vor der Arbeiter-Olympiade in Wien fand im Frühjahr die Arbeiter-Winterolympiade in Mürzzuschlag statt, ein international durchaus viel beachtetes Ereignis. Die Arbeitersportbewegung stützte sich in Österreich zu diesem Zeitpunkt schon auf eine rund vierzigjährige Geschichte. Nicht zuletzt im Kampf gegen die großdeutschen Bestrebungen vieler bürgerlicher Sportvereine, erfolgte 1892 die Gründung der Turnsektion innerhalb des Gumpendorfer Arbeiterbildungsvereins in Wien. Die enge Verbindung zwischen Arbeitersport und Arbeiterbildung war einer der Gründe dafür, dass dem Arbeitersport immer auch selbstständige kulturelle Aufgaben zugesprochen wurden, wobei dies laut Arnd Krüger und James Riordan, die mit den Buch „Der internationale Arbeitersport“ 1985 eines der Standardwerke zum Thema verfassten, in der österreichischen Arbeiterbewegung besonders ausgeprägt war. Leider ging die Ausstellung im Karl-Marx-Hof beim Thema der Gründung der Arbeitersportbewegung nicht über bisherige Erkenntnisse hinaus, und verwies die Besucherinnen und Besucher auch nicht auf Literatur zum Thema. Dabei hätte sich doch gerade der Rahmen einer Sonderausstellung besonders gut dazu geeignet, neue Perspektiven und Ergebnisse zu präsentieren. Auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Sozialdemokratischen Partei und ihrer Haltung zur Gründung der Arbeiter-Turnvereine suchte man in der Ausstellung vergeblich. Dies wäre aber nicht uninteressant gewesen, war die Mehrheit der führenden sozialdemokratischen Funktionäre anfänglich doch vom Arbeitersport alles andere als überzeugt.


Vierzig Jahre nach Gründung der Arbeiter-Turnvereine wurde die Arbeiterolympiade in Wien 1931 von der Sozialdemokratie jedoch in angeblich „klarer“ Abgrenzung zu bürgerlichen Sportverbänden verstanden. So schrieb der Schutzbundführer Julius Deutsch anlässlich ihrer Eröffnung: „Der Arbeitersport ist ein Massensport. Seine Olympiade will deshalb nicht Akrobatenkunststücke einiger Stars vorführen, sondern die harmonische Körperausbildung von Tausenden zeigen.“ Weiter heißt es in einer damals publizierten Broschüre, dass der Arbeitersport „eine ganz andere Richtung nehmen mußte, als der Sport der besitzenden Klassen. Ist dieser individualistisch, so jener kollektivistisch. Drängt der bürgerliche Sport zur Einzelleistung, zur Rekordsucht, entwickelt sich der Arbeitersport zur Massenleistung, zum Sozialismus.“ So wurde es durch die sozialdemokratischen Organisatoren propagiert. In der Praxis der Arbeiterolympiade war es dennoch so, dass der Kampf um nationale Medaillen und Spitzenleistungen einzelner Sportler bejubelt und gefördert wurden. Diese Tatsache wurde auch in der Ausstellung kritisch bewertet, was positiv hervorgehoben werden muss. Vollkommen unkritisch stand die Ausstellung aber der Bewerbung der Arbeiterolympiade als „Ausdruck der Friedensmacht“ gegenüber. Dies war natürlich eng verbunden mit der Werbung für das „Rote Wien“, das den Arbeiterspotlern vieler Länder die sozialdemokratische „Friedensmacht“ zeigen sollte. Vorstellungen dieser Art wurden in der Ausstellung weder retrospektiv noch im Rahmen der Zeit kritisch hinterfragt. Dass es nämlich nicht weit her war mit der „Friedensmacht“ der Sozialdemokratie, das wusste schon die KPÖ anlässlich der Arbeiterolympiade zu kritisieren. Sie sagte, dass das „Rote Wien“ keine Friedensmacht sei, sondern bloßer „Burgfrieden“ mit der herrschenden Klasse und argumentierte dies damit, dass Julius Deutsch ein „Ja“ der Sozialdemokratie zu einem neuen Krieg nicht prinzipiell ausschloss. Die KPÖ führte darüber hinaus ins Treffen, dass der Arbeitersport im „Roten Wien“ genauso belastet wird, wie jeder bürgerliche Sportverein: „Arbeitersportler, man wird dir vieles vom ‚Sozialismus‘ der ‚roten‘ Gemeinde Wien erzählen. Aber der Sozialismus beginnt erst dort, wo die Arbeiterklassse die Produktionsmittel in den Händen hat; 80 Prozent der Steuern der Gemeinde Wien zahlen Werktätige. Die Gemeinde Wien hebt von jeder Arbeitersportveranstaltung ebensoviel Steuern ein wie von jedem bürgerlichen Klub. Der Wohnbau reicht nur für die Hälfte der jährlich Neuverheirateten. Der Kraftstrom des Unternehmers, das Reklameschild der großen Geschäftsleute kostet sie nur halb so viel wie das armselige Licht des Arbeitslosen.“ So kritisierte die Kommunistische Partei, dass es im „Roten Wien“ für die breiten Massen keine besondere Förderung des Arbeitersports gab. Das auch heute noch bespielte Prater-Stadion wurde dabei als Symbol der Klassenzusammenarbeit bezeichnet, das mit Arbeitersport nichts zu tun hat: „Das Stadion dient vor allem dem bürgerlichen Sport, die Stadionverwaltung ist aus Vertretern der bürgerlichen, faschistischen, christlichen Sport-Verbände und des ASKÖ zusammengesetzt. Eine wirkliche Förderung des Arbeitersports ist nur möglich durch Schaffung von Bezirkssportplätzen, die Euch die Gemeinde Wien vor der Wahl versprach, aber nie gab.“ Von diesen überaus interessanten, sowie für die Geschichte des Arbeitersports und seiner inneren Auseinandersetzungen sehr wichtigen Kritiken, fand man in der Sonderausstellung des „Roten Waschsalons“ kein einziges Wort, gar nichts. Daher verwundert es auch nicht, dass den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung beispielsweise die Information vorenthalten wurde, dass die Sozialistische Sportinternationale, welche die Arbeiterolympiade ausgetragen hat, die Teilnahme von sowjetischen Sportlerinnen und Sportlern verboten hat!


Spartakiade 1928 in Moskau, Grafik von Gustav Klutsis


Ebenso suchte man in der Ausstellung vergeblich nach einer Auseinandersetzung des Verhältnisses der Arbeiterolympiade und der Sozialistischen Sportinternationale zu den wesentlich größeren, in der Sowjetunion ausgerichteten Spartakiaden und der Roten Sportinternationale. Und gerade bei der Wiener Arbeiterolympiade wäre dies nicht unwichtig gewesen, da kurz vor dieser die bisher größte Spartakiade in Moskau stattfand, was damals selbstverständlich ein großes Thema innerhalb der Arbeiterbewegung war. Eine Darstellung zu dieser Auseinandersetzung wäre für alle interessierten Besucherinnen und Besucher der Ausstellung überaus wertvoll gewesen, kommen in ihr doch die unterschiedlichen Sportkonzepte zweier verschiedener Strömungen der Arbeiterbewegung deutlich zum Ausdruck. Doch die Sonderausstellung im „Roten Waschsalon“ ignorierte diese Frage nichtmal, was ihr einen ziemlich unkritischen Touch verleiht. Da half es auch nicht, dass das beeindruckende Hauptmotiv der Arbeiterolympiade 1931 eindrucksvoll in Szene gesetzt wurde und sogar das Ausstellungsplakat zierte: eine Grafik von Viktor Th. Slama, der einer der wichtigsten Grafiker der österreichischen Arbeiterbewegung war, sowohl während der Ersten Republik, als auch zu Beginn der Zweiten Republik sowohl für SPÖ und KPÖ grafisch tätig war, so wie er auch in Deutschland zur Zeit der Weimarer Republik Aufträge von SPD und KPD erhielt. Von ihm stammen jeweils einige der bekanntesten KPD oder SPÖ-Plakate. Das Hauptmotiv zur Arbeiterolympiade 1931 zeigt die Figur eines athletischen Arbeiters, der eine Weltkugel, umschlossen von einem Zahnrad, hochhält. Es soll die Kulturbestrebungen der Arbeiterklasse symbolisieren, die Macht der Arbeit, die in ihren Händen liegt und schlussendlich eine neue, freie Welt erschaffen soll. Slama hatte wesentlich weniger Berührungsängste mit der Revolution und der Frage der Befreiung der Menschheit, als es offenbar über die Macherinnen und Macher der Ausstellung im „Roten Waschsalon“ behauptet werden kann.




Plakat- und Bildmotiv von Gustav Klutsis anlässlich der Spartakiade in Moskau 1928 (Reproduktion), Redaktionsarchiv Die Rote Fahne.

Bildmotiv: Werbeflyer für die Ausstellung „2. Arbeiterolympiade in Wien“ im Waschsalon, Redaktionsarchiv Die Rote Fahne.

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