Die Sozialmärkte sind von Lebensmittelspenden abhängig und darauf angewiesen, Lebensmittel und andere Produkte von Supermärkten, Bäckern, Händlern und Industrie zu erhalten, welche nicht mehr zum Verkauf geeignet sind, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten, die Verpackung beschädigt, oder zu viel produziert wurde. Obst, Gemüse, Brot, Käse und Wurst sind besonders gefragt, jedoch sind sie wie auch Nudeln, Reis oder Hygieneprodukte eher Mangelware.
Sozialmärkte bieten Menschen, die an oder unter der Armutsgefährdungsgrenze leben müssen, die Möglichkeit Dinge des täglichen Bedarfs zu sehr günstigen Preisen einzukaufen. Der erste Sozialmarkt wurde vor rund 20 Jahren eröffnet, mittlerweile gibt es 40 Sozialmärkte unter dem Dachverband Soma Österreich & Partner, die unter anderem vom Arbeiter-Samariterbund, den VinziWerken, dem Wiener Hilfswerk, der Caritas und der Volkshilfe betrieben werden und die an die 100.000 „Kunden“ haben. In Wien betreibt der Verein START UP neun Foodpoint-Sozialmärkte, der mittlerweile über 53.000 Mitglieder zählt (vor der Pandemie waren es 14.000). In den Bundesländern gibt es zusätzlich noch weitere, regional organisierte Sozialmärkte. Die Nachfrage steigt seit Beginn der antisozialen Maßnahmen in der Corona-Pandemie und nun mit den Preissteigerungen stark an. Dass Menschen in Österreich große Probleme haben das Geld für den täglichen Lebensunterhalt aufzutreiben, bedarf es derzeit keines tragischen Ereignisses wie Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Tod des Hauptverdieners. Explodierende Energiekosten, hohe Mieten und eine selten gesehene Teuerungswelle zwingen große Teile der Bevölkerung in Armut. Etwa 1,5 Mio. ÖsterreicherInnen (Tendenz steigend) sind derzeit Armuts- und/oder Ausgrenzungsgefährdet (Hinweis: Die aktuellen Daten stammen aus einer Erhebung im Frühjahr 2021; die derzeitige Lage legt eine Verschlechterung der Situation im Jahresverlauf nahe). Die Statistik Austria schätzt, dass die Inflationsrate für April auf voraussichtlich 7,2 Prozent steigt (die höchste Inflationsrate seit 41 Jahren). Löhne, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder andere Sozialleistungen wurden daran jedoch nicht angepasst. Aufgrund der immer rasanter steigenden Armut unter der Bevölkerung ist es nicht verwunderlich, dass seit einigen Jahren immer mehr Sozialmärkte ihre Pforten öffnen. Der Bedarf wird mit Sicherheit noch weiter steigen, da die jüngsten Teuerungen vor allem jene besonders hart treffen, die ohnehin schon sehr wenig Geld zur Verfügung haben. Wer bei welchem der verschiedenen Sozialmärkte einkaufen darf, ist je nach Betreiber unterschiedlich, orientiert sich aber grundsätzlich am Ausgleichszulagenrichtsatz von 1.030 Euro für Alleinstehende und 1.625 Euro für Paare. Zudem definieren die einzelnen Märkte noch weiter Kriterien wie Hauptwohnsitz oder maximaler Einkaufswert pro Woche oder ähnliches. Sozialmärkte haben überwiegend nur eingeschränkte Öffnungszeiten, weil in etwa 95 Prozent der Belegschaft ehrenamtlich(!) arbeiten, längere Öffnungszeiten können daher nicht angeboten werden.
Dass arme Menschen im Sozialmarkt einkaufen können/müssen, ist zwar eine individuelle Erleichterung, dennoch kann dadurch Armut und ihre Auswirkungen wie Isolation, psychische Erkrankungen oder ernährungsbedingt verursachte Beschwerden nicht verhindert (oder gelöst) werden, da die Ursachen keine individuellen „Probleme“ sind. Die Ursache ist, dass durch die kapitalistische Produktionsweise und deren Eigentumsverhältnisse Armut und Elend immer wieder neu erzeugt werden. Mit armen Menschen wird dann noch zusätzliches „Geschäft“ gemacht und Produkte die eigentlich weggeschmissen werden würden, zu niedrigeren Preisen verkauft.
Die Zahl der Menschen die im Sozialmarkt einkaufen müssen steigt durch die aktuelle Teuerungswelle, während die Warenspenden zeitgleich abnehmen. Ein Grund dafür sind zum einen viele Direktspenden an die Ukraine-Hilfe, zum anderen die von den Supermärkten oder Händlern angebotenen „grünen Boxen“ oder „rette mich Boxen“. Vergünstigte Lebensmittel kurz vor Ladenschluss, welche per APP „gebucht“ werden können, helfen zwar die weggeschmissenen Lebensmittel zu reduzieren, bringen jedoch die Sozialmärkte in Bedrängnis, die durch die gestiegene Nachfrage ohnehin mehr Bedarf haben würden. Für die Supermärkte und Händler sind die „rette-mich-Boxen“ zum einen eine gute Strategie um das Image aufzupolieren, zum anderen werden aus Lebensmitteln, die bisher an die Sozialmärkte gespendet wurden, mit sehr geringem Aufwand noch mehr Profite generiert. Nichts desto trotz werden in Österreich jährlich rund 800.000 Tonnen an noch verwertbaren Lebensmitteln entsorgt. Die „rette mich Boxen“ sind ein durch die „grüne“ Imageaufpolierung der Politik hervorgebrachter Trend, der vor allem von jenen als „Lifestyle“ gelebt wird, die solch günstige Lebensmittel nicht nötig hätten. Keine Frage, es ist gut gemeint von jenen die Lebensmittel „retten“ zu wollen, aber auch in dieser Frage wird fälschlicherweise vorgegaukelt, es könne jeder seinen Beitrag leisten und etwas für den Umwelt- und Klimaschutz tun, als wäre es ein individuelles Problem, das jeder für sich lösen müsse.
An sich sind Sozialmärkte für viele Menschen im unmittelbaren Alltag notwendig, wenn sie in finanziellen Schwierigkeiten sind. Sozialmärkte die überwiegend vom Einsatz ehrenamtlicher Mitarbeiter leben, sollen jene Armut und Leid „zurechtbiegen“ und auf einem knapp erträglichen Niveau halten, die durch schlechte Löhne und eine Politik im Dienste der Reichen und Mächtigen hervorgebraucht wird. Es ist nicht die Lösung mehr Sozialmärkte zu schaffen, sondern dass sich die Arbeiter, Arbeitslosen, Familien, usw… zusammenschließen und dafür einsetzen, dass ihre Anliegen und Interessen durchgesetzt werden und nicht nur jene des Kapitals!
Quellen: Wiener Zeitung, kleine Zeitung, ORF, APA ots, moment.at, armutskonferenz.at, Statistik Austria
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