"Hier möchten wir einen Beitrag der Palästina Solidarität Österreich (PSÖ) teilen. Der Beitrag ist eine Erklärung der Mitgliedsorganisationen der PSÖ gegen die Diffamierungen und Angriffe gegenüber dem Verein "Dar al Janub". Es ist ein wichtiger Beitrag in der Verteidigung der demokratischen Rechte, insbesondere des Rechtes auf Meinungsfreiheit."
Erklärung der "Palästina Solidarität Österreich" zu den Attacken auf die Mitgliedsorganisation "Dar al Janub"
Dem palästinensischen Volk kommt das Menschenrecht auf Selbstbestimmung zu – und damit auch das Menschenrecht auf politische Vertretung
Wenn in unserem politisch-medialen Raum vom palästinensischen Widerstand gegen die Besatzung die Rede ist, gilt das ungeschriebene Gesetz, dass von „Terror“ gesprochen werden muss – mit einer Insistenz, die anzeigt, dass die herrschenden Eliten selber wissen, dass damit etwas nicht stimmt.
Im Wesentlichen geht es darum, von den kolonialen Ursachen des gewaltsamen Konflikts abzulenken und die systematische Vertreibung der ursprünglichen Bevölkerung, Besatzung und Apartheid nicht zu thematisieren. Die strukturelle Gewalt durch einen Staat aus europäischen und amerikanischen Siedlerinnen und Siedler sowie die systematische Ungleichheit von Unterdrückern und Unterdrückten wird verschleiert, indem ausschließlich auf die Gegengewalt der Unterworfenen gezeigt wird. Diese Gegengewalt wird entkontextualisiert, personalisiert und verurteilt – und damit auch die Rechte der Palästinenserinnen und Palästinenser weggewischt.
Dabei handelt es sich um eine grundlegende Verdrehung internationalen Rechts, demzufolge
fremde Besatzung illegal und Widerstand gegen die Okkupation legitim ist!
Was speziell Gaza betrifft, so fanden 2006 gesamtpalästinensische Wahlen statt, die von der Hamas deutlich gewonnen wurden. Diese Partei fand breite Unterstützung, weil sie in den Augen der Palästinenserinnen und Palästinenser nicht für die gescheiterte Kooperation stand, die im Projekt des Osloer Friedens ihren Ausdruck fand und bekanntlich zu einer fortgesetzten und beschleunigten israelischen Siedlungstätigkeit sowie zur Bantustanisierung Restpalästinas geführt hat. Doch die ethno-chauvinistischen Kolonialistinnen und Kolonisten und ihre westlichen Unterstützerinnen und Unterstützer, die USA und die EU, weigerten sich, diese demokratische Entscheidung anzuerkennen.
Damit nahm das besondere Unglück der Palästinenserinnen und Palästinenser in Gaza seinen schrecklichen Lauf. Gegen Millionen auf engstem Raum zusammengepferchte Palästinenserinnen und Palästinenser wurde eine Blockade verhängt und immer dichter gemacht. Fünf Mal wurden sie militärisch angegriffen mit unverhältnismäßig vielen zivilen Opfern. In diesen Kriegen starben laut UNO ca. zwanzigmal mehr Palästinenserinnen und Palästinenser als Israelinnen und Israelis. Die Besatzerinnen und Besatzer behaupteten und behaupten, sie würden Hamas ausrotten wollen. Tatsächlich gelang es ihnen aber niemals, auch vor der Blockade schon nicht, mit dem anhaltenden Krieg und der Blockade den Kampf der Palästinenserinnen und Palästinenser für gleiche demokratische Rechte, die Anerkennung der Menschenrechte durch einen gerechten Frieden und ein Ende der Besatzung zu brechen – da dieser Widerstand den demokratischen Willen der breiten Bevölkerung repräsentiert, egal in welcher politischen Form er sich äußert. Darum setzen Israel und seine Verbündeten in der EU und den USA Vertreibung und Völkermord auf die schlimmste Art und Weise fort und delegitimieren den Widerstand.
Milliarden Menschen bewegen sich weltweit in Solidarität mit den Palästinenserinnen und Palästinensern. Doch es ist die unfassbare westliche Unterstützung für das israelische Kolonialregime, das die Spirale der Ungerechtigkeit und Gewalt immer weiter antreibt.
Vor einem halben Jahrhundert war es nicht viel anders, als der österreichische Bundeskanzler Kreisky in bahnbrechender Weise die Widerstandsorganisation PLO als Verhandlungspartner anerkannte – ungeachtet der Tatsache, dass deren bewaffnetes Handeln sich nicht, wie heutzutage und bezeichnenderweise gerade auch von Seiten der Hamas, nur auf das historische Palästina beschränkte. Was er damit auch tat, war, die politische Seite der Selbstbestimmung anzuerkennen, das fundamentale Recht nämlich, sich eine eigene politische Vertretung zu geben.
Heute soll, auch von Seiten des offiziellen Österreich, verhindert werden, dass diese unumgängliche Notwendigkeit zur Herstellung eines dauerhaften und gerechten Friedens, eben das grundlegende kollektive demokratische Recht auf politische Selbstbestimmung, anerkannt wird. Darum wird nicht nur der palästinensische Widerstand mit exterminatorischer Gewalt bekämpft, sondern auch die gewaltfreie und zivilgesellschaftliche Kampagne zu Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen (kurz BDS) gegenüber dem Apartheidstaat Israel als „antisemitisch“ verfolgt. Alle Stimmen, die sich gegen den Völkermord aussprechen und sich auf die Seite der Palästinenserinnen und Palästinenser und ihres Widerstands stellen, sollen zum Schweigen gebracht werden.
In der EU wurden alle bewaffneten Gruppen des palästinensischen Widerstands als Terroristen klassifiziert. Wir wissen, wenn Gewalt im Sinne der westlichen Interessen ausgeübt wird, wandelt sich die Begrifflichkeit zur Benennung rasch zu „Krieg gegen den Terror“ und „Verteidigern der Freiheit“. Auch Österreich hat im Zuge der Terror-Hysterie die Gesetze so verschärft, dass friedliche politische Meinungsäußerung als Terrorunterstützung ausgelegt werden kann. Es hat ein antidemokratisches Symbolegesetz beschlossen, wo die Verwendung der Flagge sogar einer gewählten libanesischen Regierungspartei zum strafrechtlichen Delikt wird.
Die Doppelbödigkeit Österreichs und der EU wird auch am EU-Israel-Assoziationsabkommen deutlich. Es räumt Israel große Handelsprivilegien ein und verpflichtet es in §2 zur Einhaltung der Menschenrechte. Trotz der zigtausendfachen Verletzung dieser Verpflichtung weigern sich die Mächtigen in Wien und Brüssel diesen Hebel durch die Androhung der Vertragskündigung zu betätigen.
Die politisch-medialen Eliten versuchen in diesem Sinn die Palästina-Solidarität als Hamas-Unterstützung zu verunglimpfen und deren Aktivistinnen und Aktivisten in die Nähe des Terrorismus zu stellen, obwohl wir nichts anderes tun, als die Position Kreiskys im heutigen Kontext anzuwenden.
Gegenwärtig tobt der politisch-mediale Komplex, weil die „Antirassistische Initiative Dar al Janub“ (Haus des Südens), Mitgliedsorganisation des Bündnisses „Palästina Solidarität Österreich“, Hamas-Propaganda verbreiten würde – der anschauliche „Beweis“: ein Foto eines Vereinsmitglieds mit Ismail Haniyya, dem Vorsitzenden der Hamas. Rufe nach Verbot werden laut. Nach dieser Logik und der gegenwärtigen Gesetzeslage hätte Kreisky, als er sich mit Arafat traf und damit die österreichische Neutralität in höchst friedensstiftender Weise interpretierte, damit „terroristische Straftaten gutgeheißen“ – so der gesetzliche Terminus, der hier gerne in Anschlag gebracht wird.
Welch himmelschreiende Doppelstandards:
Ist es denn keine „Gutheißung terroristischer Straftaten“, wenn die Bundesregierung durch das Hissen der israelischen Fahne sich zum Völkermord in Gaza bekennt, wenn die Bundesregierung in der UN-Vollversammlung gegen einen Waffenstillstand stimmt, wenn sie sich vorbehaltslos in Verletzung der verfassungsmäßigen Neutralität und Verdrehung der antifaschistischen Grundhaltung auf die Seite der kolonialen und imperialistischen Täterinnen und Täter stellt? Vielen, sehr vielen stößt das bitter auf – doch noch schweigen sie angesichts des medialen Terrors.
Wir werden nicht aufhören, unsere Stimme in Verteidigung der demokratischen Grundrechte, der Verfassung und der österreichischen Neutralität sowie des Rechts auf Selbstbestimmung auch des palästinensischen Volkes zu erheben.
Wir fordern:
Wiederherstellung der freien Meinungsäußerung – was einschließt, für die Anerkennung des palästinensischen Widerstands, repräsentiert durch unterschiedliche Organisationen, als politische Vertretung des palästinensischen Volkes einzutreten!
Schluss mit der Kriminalisierung der Solidaritätsbewegung mit den Palästinenserinnen und Palästinenser und Wiederherstellung des Demonstrationsrechts ohne Einschränkungen!
Wir müssen raus aus der Gewalteskalation! Daher: Waffenstillstand sofort!
Frieden braucht Gerechtigkeit: Daher Stopp der israelischen Politik von Besatzung, Landraub und Apartheid!
Und Schluss mit der vielfältigen Komplizenschaft Österreichs mit Israels Apartheid und Siedlerkolonialismus!
Palästina Solidarität Österreich
Antiimperialistische Koordination (AIK)
Steirische Friedensplattform
Dar al Janub - Verein für antirassistische und Friedenspolitische Initiative
BDS Austria
voiceforpalestinesalzburg - Palästina Solidarität Salzburg
Palästina Solidarität Vorarlberg
Palästina Solidarität Wiener Neustadt
Palästina Initiative Tirol
Ni Una Menos - Austria
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