Anmerkung der Redaktion: dieser Artikel wurde in einer Kurzfassung in der aktuellen Ausgabe der Roten Fahne (Link) veröffentlicht.
Unter Lichtverschmutzung, auch Himmelsglühen genannt, versteht man die Aufhellung des Nachthimmels durch künstliches Licht. Verursacht durch Leuchtreklamen, Industrie- oder Straßenbeleuchtung, überlagern diese Lichtemissionen auf weiten Teilen der Erde die natürliche Dunkelheit der Nacht. Neben Wasser-, Luft- und Bodenverschmutzung zählt auch die Lichtverschmutzung zum Bereich der Umweltverschmutzung. Als eine der weitverbreitetsten Umweltveränderungen mit weltweiten Auswirkungen erfährt sie jedoch kaum Beachtung.
Nächtliche Helligkeit binnen zehn Jahren verdoppelt
In weniger als einem Jahrzehnt hat sich die Helligkeit des Nachthimmels verdoppelt! Künstliches Licht, welches in die Erdatmosphäre gelangt, wird durch die Schichten der Atmosphäre, Staub oder Wasser reflektiert und dabei in großem Umkreis zerstreut. Diese Zerstreuung hat zur Folge, dass die Lichtglocken, die sich über erhellten Städten bilden, noch hunderte Kilometer entfernt beobachtet werden können und sich daher auch auf ansonst unberührte Gebiete auswirken. Die Lichtglocken von Los Angeles und Las Vegas sind selbst vom Death Valley Nationalpark aus sichtbar. Nicht nur die bestrahlte Fläche, sondern auch die Intensität der Bestrahlung nahm in den letzten Jahren exponentiell zu. Die nächtliche Helligkeit hüllt den Planeten sozusagen in einen leuchtenden Nebel, der uns daran hindert beispielsweise die Galaxie zu beobachten – dies ist jedoch nur eine der Auswirkungen.
Künstliche Beleuchtung verändert das gesamte Ökosystem
Mehr als 80 Prozent der Weltbevölkerung leben unter einem lichtverschmutzten Himmel, in Europa sind es sogar mehr als 99 Prozent. Licht ist lebensnotwendig, wird jedoch der Wechsel zwischen hell und dunkel durch Lichtverschmutzung beeinflusst, wird der sogenannte chronobiologische Rhythmus erheblich gestört. Dieser Tag-Nacht-Rhythmus wird bei Mensch und Tier, aber auch bei Pflanzen im wesentlichen dem Sonnenlicht angepasst. Der Verlust der natürlichen Nachtdunkelheit hat negative Folgen für den Menschen und seine Umwelt. Bei Menschen ist die Lichtverschmutzung (mit)verantwortlich für erhöhtes Risiko für Depressionen, Übergewicht, Herzinfarkt oder Krebs. Kunstlicht bringt auch den Hormonhaushalt durcheinander und die „innere Uhr“ aus dem Takt und unterdrückt die Produktion des Schlafhormons Melatonin. Sowohl das Einschlafen am Abend als auch das Aufwachen am Morgen werden erschwert und die Schlafzeit insgesamt verkürzt. Fehlender Schlaf führt zu Fehlfunktionen des Immunsystems, behindert die Gedächtnisbildung und führt zu Lernschwierigkeiten. Werden die Schlafstörungen chronisch, können sie Diabetes, Bluthochdruck und Fettleibigkeit auslösen. Manche Studien zeigen, dass nächtliche Helligkeit dafür verantwortlich ist, dass Jugendliche früher in die Pubertät kommen. Laut einem Bericht der europäischen Kommission zieht Lichteinwirkung noch weitaus gravierendere Folgen nach sich. Zu viel künstliche Beleuchtung wird mit einem erhöhten Krebsrisiko in Zusammenhang gebracht. Der Grund dafür liegt in einem erhöhten Östrogenspiegel – dieser steigt, wenn der Körper zu wenig Melatonin produziert. Ein hoher Östrogenspiegel ist wiederum ein Risikofaktor für Brustkrebs. Forscher konnten bestätigen, dass das Risiko an Brust- oder Prostatakrebs zu erkranken, in Gebieten mit hoher Lichtverschmutzung deutlich erhöht ist.
Ein Experiment mit Mäusen und Zwerghamstern verdeutlichte, dass Lichteinwirkung während des Schlafs bei Tieren ebenfalls zu depressions-ähnlichen Symptomen führt. Die Folgen der Lichtverschmutzung bei Tieren sind Orientierungsverlust bei Zugvögeln und Fischschwärmen. Frisch geschlüpfte Meeresschildkröten beispielsweise, die sich nach dem Licht von Mond und Sternen orientieren, werden durch künstliche Beleuchtung fehlgeleitet und sterben. Vögel singen bis spät in die hell erleuchtete Nacht und fliegen bis zur Erschöpfung orientierungslos herum. Künstliche Beleuchtung wird auch für viele Insekten zur tödlichen Falle, da diese bis zur Erschöpfung um das „falsche“ Licht schwirren. Die Bestäubungsleistung der nachtaktiven Insekten ist auf beleuchteten Flächen um 62 Prozent reduziert – die fehlende Bestäubungsleistung kann von Bienen nicht kompensiert werden, weshalb auch die Pflanzenvielfalt erheblich zurück geht.
Wem die Dauerbeleuchtung dient
Der übermäßige Einsatz von künstlichem Licht, vorwiegend für Industrieanlagen, Leuchtreklamen, Flutlichtanlagen, Parkplatz- und Straßenbeleuchtung hat noch unabsehbare Folgen auf das weltweite Ökosystem. Die Auswirkungen der Lichtverschmutzung sind in Fachkreisen schon längst bekannt, ein „Ausschalten“ der künstlichen Lichtquellen steht jedoch gegen die Interessen des Kapitals und seiner umweltschädigenden Produktionsweise. Beispielsweise wäre Nachtarbeit in vielen Branchen gar nicht notwendig, stellt aber für die Kapitalisten die Möglichkeit dar, in 24 Stunden noch mehr aus den Arbeitern herauszupressen. Schutzmaßnahmen für Umwelt und Bevölkerung sind jedoch Notwendig und sollten Teil der Forderungen demokratischer und fortschrittlicher Umweltbewegungen sein.
Quellen:
Spektrum.de, astronomiefans.de, science.org, ledvance.de
Bildquelle:
Nachthimmel mit und ohne Lichtverschmutzung, jpstanley Flickr, CC BY 2.0
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