
Während die Metaller allgemein die gewerkschaftlich stärkste Branche sind, hat der Handel vor allem wegen seiner Größe ein Gewicht: Der Lohn von 480.000 Arbeitern und Angestellten und 15.000 Lehrlingen wird jetzt verhandelt. Während den Unternehmern das „Verständnis“ für Streiks fehlt, macht die Gewerkschaft alibimäßige Mobilisierungsversuche.
Dem Chefeinpeitscher der Handelsunternehmen in Österreich, Rainer Trefelik, fehlt jedes „Verständnis dafür, dass man offenbar unbedingt streiken will". Er verteidigt das „Angebot“ an die Arbeiter im Handel von angeblich bis zu 12 Prozent Lohnerhöhung. In Wahrheit ist es derselbe billige Trick wie letztes Jahr: es werden Einmalzahlungen von bis zu 1.000 Euro versprochen, die Löhne selbst wollen die Chefs um nicht mehr als 6 Prozent erhöhen! Das ist für die Beschäftigten absolut untragbar. Einmalzahlungen liefern gerade nicht das was es braucht: eine Anhebung der Löhne über die Inflation. Jeder Abschluss darunter bedeutet in Wirklichkeit einen Lohnraub.
Eine Einmalzahlung kann die Inflation nicht „ausgleichen“, denn ist sie einmal gezahlt, bleibt der Lohn auf dem entwerteten Niveau zurück. Einmalzahlungen würden auch nächstes Jahr nicht als Berechnungsgrundlage für die KV-Verhandlungen dienen. So läppeln sich diese Lohnverluste und auf ein Lebenseinkommen berechnet geht es um zehntausende Euro, die jedem Arbeiter damit aus den Taschen gezogen werden sollen.
Weil die Gewerkschaft diesen Einmalzahlungen nicht zugestimmt hat und 9,4 Prozent Lohnerhöhung fordert, haben die sogenannten „Arbeitgeber“ - und nicht die Gewerkschaft - die Verhandlungen jetzt abgebrochen. Letztere rufen jetzt zu Warnstreiks vom 30. November bis zum 3. Dezember auf. „Die Unterstützung von Seiten der Beschäftigten ist groß und wird von Tag zu Tag größer.“ Bei Demonstrationen am 14. November sind in Wien und Salzburg zusammen schon 1.500 Beschäftigte auf die Straßen gegangen. Das ist bei 480.000 Beschäftigten in ganz Österreich nicht die Welt, aber es zeigt dass ein Interesse bei den Arbeitern und Angestellten besteht, ihre Forderungen auch auf die Straße zu tragen.
Ein Korrespondent der „Roten Fahne“ berichtete: „Ich finde es sehr gut, was jetzt passiert. In meiner Supermarktfiliale, in der vor allem Touristen einkaufen gehen, haben wir lange schon wieder so viel Arbeit wie vor Corona. Allerdings müssen wir nach wie vor mit weniger Mitarbeitern auskommen, weil nach den Kürzungen während der Corona-Zeit kaum neue Leute eingestellt wurden. Es ist also mehr Arbeit auf weniger Schultern. Wie ich von der Demonstration erfahren habe, habe ich gleich gesagt dass ich hinkommen will. Wir müssen dafür sorgen, dass sich etwas ändert.“
Die Gewerkschaft ist sich der Stimmung in den Belegschaften bewusst, die sich trotz Arbeit das Leben nicht mehr leisten können, während die Handelskonzerne, besonders die Supermärkte sich mit Teuerungen weit über der offiziellen Inflation eine goldene Nase verdienen. Gleichzeitig ist völlig klar, dass die sozialdemokratischen Gewerkschaftsspitzen keinen längerfristig angelegten Arbeitskampf um die Rechte der Arbeiter und Angestellten aufnehmen werden – Das hat schon der SWÖ-KV-Abschluss gezeigt. „Schweren Herzens“ melden sie jetzt Warnstreiks an, während der nächste Verhandlungstermin schon steht. Auch letztes Jahr drohte die Gewerkschaft mit Streiks, nur um dann mit 7,31 Prozent abzuschließen – selbst die offizielle Inflation lag 2022 bei 8,6 Prozent und 2023 bisher bei über neun Prozent (1).
Dass die Gewerkschaft jetzt offensichtlich doch eine gewisse Mobilisierung startet ist etwas Neues. Das haben sie im Handel bisher nach Möglichkeiten vermieden. Letztes Jahr haben sie Termine für Demonstrationen bewusst erst 48 Stunden im Vorhinein bekannt gegeben (wir berichteten). Deshalb auch die Stimmung bei den Beschäftigten die sich fragen: „Schauen wir einmal, ob dieses Jahr gestreikt wird.“ Nun ist es notwendig, dass die Beschäftigten die Warnstreiks nutzen, um ihren Forderungen und Anliegen Nachdruck zu verleihen, und die Ausrichtung verteidigen, die Streiks so weit als möglich auszudehnen und Festgeldforderungen zu stellen – damit tatsächliche Lohnerhöhungen gewährleistet werden können.
(1) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/288914/umfrage/inflationsrate-in-oesterreich-nach-monaten/
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/217415/umfrage/inflationsrate-in-oesterreich/
Bildquelle: Gewerkschaft ÖGB
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