Vergangenen Sonntag wurde nicht nur in Oberösterreich gewählt, sondern auch die Gemeinderatswahl in Graz spiegelt die Krise der Herrschenden in beträchtlichem Umfang wieder. Der in den bürgerlichen Medien viel diskutierte „Wahlerfolg“ der KPÖ ist jedoch kein „Sieg“ für die Arbeiter und Massen, sondern zeigt das Unvertrauen und die Ablehnung gegenüber der herrschenden Politik und ihren Repräsentanten.
Verlierer: die „Altparteien“; stärkste Kraft: die Nichtwähler
Größter Verlierer dieser Wahl sind die „Altparteien“ ÖVP und SPÖ. Während die ÖVP fast 12% im Vergleich zur letzten Wahl verlor, schrumpfte die SPÖ auf 9,53%. Kein Wunder, sind es doch vor allem diese zwei Parteien die besonders das repräsentieren was ein Großteil der Bevölkerung zutiefst verachtet: Postenschacher, Korruption, Privatisierung, Sozialabbau, Verschlechterungen, Teuerungen, usw… Diese deutliche Absage an das „Establishment“, an die „eingesessenen“ Teile der Herrschenden verdeutlicht die sich vertiefende politische Krise. Auch zeigt sich, dass die ÖVP nicht so fest im Sattel sitzt, wie auf Bundesebene gern getan wird.
Zu den Verlierern zählt auch die FPÖ, die mit einem Verlust von mehr als fünf Prozent bei knapp über 10 Prozent liegt. Dass das kein „Grazer Phänomen“ war, zeigt sich daran, dass die FPÖ in Oberösterreich mehr als 100.000 Stimmen verloren hat und von über 30% auf knapp unter 20% gesunken ist. Die FPÖ hat vor allem auf die „Corona-Krise“ gesetzt, um Wählerstimmen zu gewinnen und sich damit einmal mehr selbst entlarvt. Nicht „Corona“ hat die Wahl entschieden, sondern die soziale Frage ist durch die Verschärfung der Krise des Kapitals ins Zentrum gerückt. Der massive Verlust der FPÖ zeigt also, dass sehr wenige daran glauben, dass nur die Pandemie Demokratie- und Sozialabbau vorantreibt. Es ist eine Politik im Dienst des Kapitals, die versucht das Gesundheitswesen abzubauen, die „Eigenverantwortung“ in der Frage der Gesundheit gegen ein öffentliches Gesundheitswesen zu stellen und damit die Kapitalisten aus der Verantwortung zu nehmen das Gesundheitswesen zu finanzieren.
Die stärkste „Partei“ waren bei der Gemeinderatswahl die Nicht-Wähler. Die Wahlbeteiligung sank von 57,4% bei der letzten Wahl auf 54%. Insgesamt haben von 291.000 Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Graz nur rund 121.000 überhaupt gewählt. Das rückt auch den „Wahlerfolg“ der KPÖ in ein ernüchterndes Licht: Gemessen an der Gesamtbevölkerung wählten nur knapp unter 12% die KPÖ, die „stärkste“ der Parteien. Im Arbeiter- und Migrantenstadtteil Gries gingen beispielsweise überhaupt nur 27% zur Wahl. Das zeigt, dass es für knapp die Hälfte überhaupt keinen Grund gibt, sich an den bürgerlichen Wahlen zu beteiligen, dass sie keine Illusion darüber haben, dass man tatsächlich im Sinne der eigenen Interessen wählen könnte. Dieses „beste aller Systeme“ ist so morsch, dass es nicht einmal schafft mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten zum „Herzen“ der „bürgerlichen Demokratie“ zu zerren – zur Wahlurne! Offensichtlich ist, dass ein großer Teil der Unterdrückten und Ausgebeuteten weiß, dass die „Politik“ nicht am Wahltag entschieden wird. Es ist die Aufgabe der demokratischen und fortschrittlichen Kräfte diese Ablehnung zu organisieren und damit die Kräfte der Arbeiter- und Volksbewegung zu stärken. Nicht der Wahlzirkus, sondern die Organisierungs- und Kampfkraft der Unterdrückten und Ausgebeuteten kann Erfolge bringen.
Wahlerfolg der KPÖ: „Fürchten muss sich niemand“
Der Wahlsieg der KPÖ mit knapp 29% bestätigt die Absage an die Parteien des „Establishments“. Als Partei des „Anti-Establishments“, als Politiker die sich nicht als Politiker geben, konnten sie Stimmen aus allen Parteien für sich gewinnen. Damit zeigt sich, dass die KPÖ bis zu einem gewissen Grad eine Option für die Herrschenden geworden ist, die es teilweise schaffte, die Aufgabe zu erfüllen enttäuschte Wähler anderer Parteien und auch eine beträchtliche Anzahl an Nicht-Wählern (4.000) in den Parlamentarismus einzubinden. Die KPÖ konnte also als einzige Partei in einem größeren Umfang Wähler aus dem Nicht-Wähler-Lager gewinnen. Die Wahlbeteiligung, und deshalb wird sie meist unter den Tisch gekehrt, ist für die Herrschenden eine wichtige Frage um ihren Wahlzirkus als „demokratisch“ legitimieren zu können. Es zeigt sich, dass die KPÖ in Graz die Sozialdemokratie in ihrer Funktion für die Herrschenden weitgehend abgelöst hat und bestätigt die Krise der Sozialdemokratie, welche sich in nationalem Umfang vollzieht.
Ein Grund zum Jubeln ist der Wahlsieg der KPÖ für die Arbeiterklasse und Massen jedoch nicht. Hat sich die KPÖ die letzten 25 Jahre in der Opposition als Partei der „Hilfe“ positioniert, so ist die Frage wie sie ihre Politik als Bürgermeisterpartei machen wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie größere Reformen, die in gewissem Maße den Interessen der Massen entgegenkommen, anpacken werden, wie beispielsweise Mietendeckel, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich, Immobilienabgaben usw.., ist gering. Elke Kahr machte in ihrem Interview mit dem ORF schon einen Tag nach der Wahl klar, dass größere Reformen nicht angepackt werden, denn „das ist keine Aufgabe die die Kommunalpolitik lösen kann“. Das „Schreckgespenst“ der „Kommunisten“ das jetzt teilweise in den Medien gezeichnet wird, wird von der KPÖ Graz selbst dementiert: „Fürchten muss sich niemand“ (Elke Kahr). Dass jedoch auch Reformen die gewisse Verbesserungen bringen würden natürlich erkämpft werden müssen und nicht im Interesse der Kapitalisten sind, liegt auf der Hand – denn so wie Entlassungen oder Kürzungen gegen die Interessen der Arbeiterklasse gerichtet sind, so sind Forderungen der Arbeiter auch gegen die Interessen der Kapitalisten gerichtet. Dass sich „niemand fürchten“ muss, legt nahe, dass sich die KPÖ in Graz kleinen „kommunalen“ Fragen widmen wird. Bisher hat sich die KPÖ eher als bessere „Volkspartei“ zu etablieren versucht, indem sie den „Schwachen“ und „Leidenden“ Unterstützung geben. Dass es große Würfe gegen Ursachen von Leid und Armut geben wird, ist jedoch nicht zu erwarten, in diesem Sinne haben die Kapitalisten auch wirklich „nichts zu befürchten“. Dass die KPÖ nichts mit Marxismus und den Zielen der Arbeiterbewegung zu tun hat, das ist schon länger klar. Doch auch die „radikaleren“ Forderungen ihres Programms werden in der kommenden Regierungsperiode höchstwahrscheinlich keine Bemerkung finden. Als Armin Wolf im ORF Interview Elke Kahr fragte: „Die Steirische KPÖ fordert in ihrem Programm die ‚Enteignung von Banken, Versicherungsunternehmen und Großunternehmen und den Austritt aus der EU, einem Bündnis imperialistischer Staaten‘. Ich nehme an das ist auch ihre Position?!“, antwortete Kahr: „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich das in irgendeiner Situation jemals gesagt hätte.“
Die fortschrittlichen Teile der Arbeiterklasse dürfen sich durch den Wahlerfolg der KPÖ nicht verwirren lassen, sondern müssen sehen, welche Funktion die KPÖ für die Herrschenden erfüllt. Gleichzeitig ist der Anstieg der Nicht-Wähler ein klarer Ausdruck dafür, dass sich die politische Krise des Kapitals verschärft und die Illusionen in den Parlamentarismus bei einem Großteil sehr gering ist. Kein schlechter Reformismus der KPÖ, oder gar die bürgerlichen Parteien, werden die Arbeiterklasse davon abhalten, ihren eigenen Weg zu gehen und die Aufgaben anzunehmen die notwendig sind, um voranzugehen, sich zusammenzuschließen und für ihre Interessen zu kämpfen.
Artikel übernommen von afainfoblatt.com
Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Graz_-_Hauptmarkt.jpg
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