Nicht zuletzt nach dem Abschluss in der Sozialwirtschaft häuft sich die Kritik an der ÖGB-Führung. Viele sind wütend und enttäuscht. Einer der Vorwürfe: Die Gewerkschaftsführung hintergeht sogar die Beschlüsse ihrer Mitglieder!
Hunderttausende Arbeiter und Angestellte in Österreich hielten in den vergangenen Wochen Betriebsversammlungen ab, mit einer breiten Einheit darüber, dass Kampfmaßnahmen notwendig und mehr als angebracht sind. Es wurden Streikbeschlüsse gefasst und Streikbewilligungen erteilt. Es gab öffentliche Betriebsversammlungen und sogar Demonstrationen. Nichts anders als ein Säbelrasseln!
Zuerst wurde mit dem schlechten Ergebnis der Metaller der ganzen Arbeiterklasse in Österreich in den Rücken gefallen. Die Gewerkschaftsführung jedoch feierte den Abschluss als „Sieg“. Nun der Abschluss in der Sozialwirtschaft. Nicht nur, dass es einen Reallohnverlust gibt, wurden auch keine anderen Maßnahmen durchgesetzt, welche die teilweise katastrophalen Arbeitsbedingungen verbessern würde. Die Gewerkschaftsführung jedoch feiert erneut einen „Sieg“.
Besonders an den diesjährigen Verhandlungen ist, dass die Führung des ÖGB ganz offensichtlich die Beschlüsse ihrer Mitglieder missachtet! In zahlreichen Betrieben wurden Kampfmaßnahmen beschlossen, wenn den Forderungen nicht nachgegeben wird. Die Belegschaften sprachen sich auf Betriebsversammlungen ganz deutlich für Streik aus. Dies ist der ÖGB-Führung offenbar egal, denn in einer Nacht- und Nebelaktion wurden Ergebnisse erzielt – Ergebnisse die ganz und gar nicht dem gemeinsam definierten Ziel entsprechen.
Zahlreiche Gewerkschaftsmitglieder, selbst jene die seit Jahrzehnten aktiv organisiert sind, äußern jetzt massive Kritik. Sie sind zu Recht wütend. „Sind diese Streikbeschlüsse nichts wert?“, fragen viele. Die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben haben den Streikbeschluss nicht für ein Ergebnis von 7 Prozent oder 8 Prozent gefasst. In den Sozialen Medien lest man unter anderem: „Die Verhandler haben Streikbeschlüsse ignoriert und sich über den Tisch ziehen lassen, (…) und DAS versucht man uns nun allen Ernstes als ‚Erfolg‘ zu verkaufen.“
Bei der Kritik geht es nicht darum, dass die Kollegen schimpfen wollen, oder dass sie den gewerkschaftlichen Kampf als solchen eine Absage erteilen. Ganz im Gegenteil, stieg die Kampfbereitschaft enorm an. Viele betonen, dass eine Gewerkschaft wichtig ist, dass sie Mitglieder sind, aber sich jetzt „wirklich verarscht“ fühlen. Gegenüber der Roten Fahne betonte ein Kollege aus der Sozialwirtschaft: „Offensichtlich sind es Phantasiezahlen, die gefordert werden. Das Ergebnis steht ohnehin fest. Sie hätten auch gleich 20 Prozent oder mehr fordern können!“
Eine andere Kollegin aus dem Bereich wies uns darauf hin, was diese Verhandlungen über den Charakter des ÖGBs zeigen: „wir haben in den Betrieben Streikbeschlüsse gefasst, um gerade nicht so ein schlechtes Ergebnis zu erzielen. Ob, und wie rasch unserer Kampfmaßnahmen zu einem akzeptablen Ergebnis geführt hätten, weiß man natürlich vorher nicht, aber wir haben es nicht einmal versucht. Das jetzige Ergebnis kann man ja nicht einmal als Niederlage bezeichnen, da erst gar nicht gekämpft wurde. Das ist Verrat und Packelei, das ist das Wesen der Sozialpartnerschaft!“ Sie betont weiter: „Wir sind Mitglieder am Papier und dürfen brav zahlen, wenn es aber um das eigentliche Kerngeschäft der Gewerkschaft geht, haben wir offensichtlich keinerlei Mitsprache. Das ist nicht nur äußerst arbeiterfeindlich was die Resultate betrifft, das ist zudem äußerst antidemokratisch!“ Sie unterstütze daher eine Initiative, die sich neu gegründet hat, die ADRV (Aktion für die demokratischen Rechte des Volkes). „Wir haben schon am 17. September bei den Anti-Teuerung Demonstrationen Flugblätter verteilt und auch jetzt zu den KV-Verhandlungen. Wir zeigen gerade das auf, was diese Verhandlungen wieder einmal verdeutlichten: Wir dürfen uns von der Gewerkschaftsführung und ihren Verhandlern nicht in die Irre führen lassen. Vielmehr braucht es eine starke Opposition gegen all jene, welche offensichtlich die Interessen von uns Arbeitern verkaufen und verraten. Vor zwei Jahren unterstützte ich aktiv den Kampf gegen die Schließung von MAN Steyr, nicht weil es mich direkt betraf, sondern aus Solidarität. Auch da haben wir gesehen: die Gewerkschaftsführung kam erst in Bewegung, als sich eine Opposition gegen das Abwarten und Packtieren formierte. Zugleich sahen wir, dass ihnen über 3.000 Unterschriften gegen die Schließung egal sind. Sie erschienen nicht einmal, um sie zu übernehmen. Am Ende des Tages sehen wir deutlich: wir müssen uns selbst zusammenschließen, brachenübergreifend sowohl für unserer wirtschaftlichen Forderungen, als auch um unserer demokratischen Rechte kämpfen!“
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